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Wixforth, Fritz
23.6.1897 - 1976

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Viereck Olaf Simons, 2003

 

 

Biographie
Literatur
Fritz Wixforth, ca. 1960

Bild: Archiv der Bertelsmann AG

 

 

Biographie

Mann des Vertriebs im Verlag C. Bertelsmann, der dem Unternehmen in den frühen 1930ern und erneut in den 1950ern entscheidende Impulse gab. Seine Initiative führte den Verlag 1928 in den Einstieg ins Romangeschäft, Mitte der 1930er in Kooperationen mit dem Reisebuchhandel und 1950 in den Aufbau des Bertelsmann Leserings.

Geboren am 23.6.1897 in Gütersloh, Sohn von Arnold Wixforth, Buchbindermeister bei Bertelsmann, und Johanna Wixforth, geborene Hermelbach. Volksschule in Gütersloh, Schulabschluß Selekta. Buchhandelslehre bei Bertelsmann. Ab Ende 1915 Kriegsteilnahme als Freiwilliger in der 3. Matrosen-Artillerie Abteilung in Lehe und dem 2. Matrosen-Artillerie Rgmt. in Flandern. Dienstentlassung am 10.1.1919

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Vom Verlagsvertreter zum Vertriebsleiter und "Bürochef" bei Bertelsmann

1919 Rückkehr als Buchhandelsgehilfe zu Bertelsmann, Zusammenarbeit mit Johannes Zauleck im Vertrieb der Blätter, die Bertelsmann unter dessen Herausgeberschaft für den Gemeindebedarf herstellt. Nach einer Vertreter-Reise in die Schweiz macht Wixforth Heinrich Mohn 1928 den Vorschlag, einige der Romane, die das Unternehmen im soeben gegründeten Christlichen Erzähler abdruckte, auch eigenständig zu veröffentlichen, was selben Jahres noch zur Veröffentlichung der ersten vier Bertelsmann-Romane führt, einen ersten geschäftlichen Erfolg jedoch erst mit der Vermarktung von Gustav Schröers Heimat wider Heimat nach sich zieht - der Roman wird in Nachkriegsrepublik hinein mit einer Auflage von über 800.000 Exemplaren verlegt. Zum Erfolg tragen maßgeblich die Konditionen bei, die der Verlag dem Buchhandel gewährt: Unternehmen, die sich darauf einlassen, Bertelsmann-Titel in größeren Mengen anzubieten, können diese bei Nichtverkauf an den Verlag zurückgeben. Das Angebot ist gekoppelt an die Bertelsmann-Sonderschaufenster: Der Verlag stelt hier komplette Schaufenster-Gestaltungen zur Verfügung, die sodann lediglich für wenige in großen Mengen ausgestellte Bertelsmann-Bücher Werbung machen. Anvisiert ist der Massenabsatz und der Ausgriff auf Publikumsgruppen, die Schaufensterauslagen zwar betrachten, Bücher jedoch erst kaufen, wenn sie den Eindruck haben, daß sie dies nicht allein tun.

Mit dem Nationalsozialismus Mitgliedschaften im NSV und und der DAF. Ab 1933 Einstieg in die Vermarktung von Volksausgaben - Titel, die in teuren Ausgaben zuvor liefen, werden zu Preisen um die 3 RM breiter einer zweiten Vermarktung unterzogen. Wixforth gewinnt Mitte der 1930er die Position des "Bürochefs" bei Bertelsmann. Zu ihr gehört die Einrichtung der Sonntag-vormittäglichen Treffen bei ihm privat, zu deren regulären Gästen Johannes Banzhaf, Theodor Berthoud und Wilhelm Beimdiek, gehören, und auf denen im Wochenturnus Projekte abgesprochen werden, die eher an Personen denn an Ressorts gebunden werden.

1935/36 Umsatzsteigerung durch Erweiterung des belletristischen Sortiments um Kriegsbücher – die vor allem an die Jugend abgesetzt werden – und durch Einschaltung des Reisebuchhandels, der bislang vorwiegend schlechtgängige Ware anderer Verlage auf dem Land absetzte. Umsatzsteigerung um etwa ein Drittel durch die Kassetten, die jeweils mehrere erfolgreiche Titel aus dem Bertelsman-Programm zu einer repräsentativen Ausgabe vereinigen. 1938 Prokura.

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Schreibstubendienst als Marineartillerist, 1939-1943

Daß Wixfort am 24.8.1939 - noch vor Kriegsbeginn - zum Wehrdienst eingezogen wird, verhindert die erfolgreiche Uk-Stellung, die dem Unternehmen wenig später mit den anderen führenden Mitarbeitern gelingt. Gemeinsam mit Gerhard Steinsiek plant er im September 1939 noch in brieflicher Koorespondenz die Gestaltung und den Vertreib der ersten Bertelsmann-Feldausgaben. Johannes Banzhaf rückt in seiner Abwesenheit in die zentrale Position des Planers auf - Anfänglich als Vertriebsleiter, bald jedoch, den Schwierigkeiten, die sich mit der Kriegswirtschaft stellen, Rechnung tragend, als Herstellungsleiter befaßt damit, Rohstoffe zu organisieren und Druckgenehmigungen sowie Aufträge öffentlicher Stellen zu erlangen.

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Rückehr ins Unternehmen 1943, Übernahme des Herstellungsressorts

Gerhard Steinsiek, dem Personalchef bei Bertelsmann, gelingt es erst im Frühjahr 1943 Wixforth erfolgreich für den Betrieb zu reklamieren. Wixforth hatte zuvor eine Informationen über eine geheime Regelung an den Verlag weitergeleitet, derzufolge dieser ihn aus dem Kriegsdienst lösen konnte, wenn er im Gegenzug einen anderen wehrfähigen Mann freistellte. Steinsieks Wahl war ursprünglich auf Banzhaf gefallen, der sich jedoch unter Hinweis auf seine zentrale Stellung in der laufenden Verlagsarbeit weigerte, für den Kollegen an die Front zu gehen - eine Weigerung, die Steinsiek wiederum unter den ranghöchsten Mitarbeitern des Unternehmens publik machte. Wixforth wurde schließlich gegen den Packer Westhuse ausgelöst (der "vermißt" im Krieg blieb).

Mit der Rückkehr Wixforths ins Unternehmen am 1.4.1943 wird Banzhafs weitere Uk-Stellung fraglich - Steinsiek gelingt eine Verlängerung der Position bis in den Oktober 1943 unter der Vorgabe, daß Banzhaf Wixforth in dieser Zeit in das neudefinierte Herstellungsressort einweist. Gemeinsame Reisen nach Berlin und in die Niederlande folgen. In Berlin begegnet Wixforth Matthias Lackas, über den Banzhaf und Beimdiek die meisten Geschäfte des Unternehmens mit der Wehrmacht abwickeln. Wixforth versucht wenig später, Lackas als Zwischenhändler zu umgehen und damit die hohen Rabattsummen einzusparen, die für Lackas im Geschäft sind, riskiert jedoch im selben Moment, daß Lackas Bertelsmann aus dem Schlüssel nimmt, unter dem das Unternehmen Wehrmachtsaufträge und Druckgenehmigungen erhält. In den Niederlanden nimmt Wixforth an Papierkäufen auf dem Schwarzmarkt teil.

Das Problem der überhöhten Provisionen, die Lackas in Form großzügiger Rabatte von Bertelsmann bezieht, löst sich Ende Juli 1943, als Lackas mit dem Plan, sich als Zwischenhändler gemeinsam mit Banzhaf selbständig zu machen, seinen bisherigen Arbeitgeber, den Deutschen Archiv Verlag verläßt. Bertelsmann erwirbt mit der Versandbuchhandlung Honig ein Unternehmen, das der Verlag als Zwischnhändler zu Geschäften mit öffentlichen Stellen nutzen kann. Wixforth wird am 13.8.1943 mit einer Einlage von 15.000 RM Teilhaber der Versandbuchhandlung.

Bertelsmann erwirbt unter Wixforths Initiative 1943 und 1944 über 800 t billigen Finnlandpapiers auf dem internationalen Markt - eine vage formulierte Regelung hatte Verlagen den Erwerb eines Dreimonatsbedarfs ohne Vorweis bereits genehmigter Verlagsprojekte gestattet. Die Papiere werden zur weiteren Verarbeitung in die Niederlande überführt. Wixforth ist schließlich ab dem September 1943 mit der Abwicklung des Rufer-Verlags betraut, den Bertelsmann 1939 erworben hatte und dessen Schließung seit dem April mit dem Propagandaministerium ausgehandelte Sache ist. Wixforths monatliches Gehalt beträgt 1943 850 RM brutto, bei 13. Monatsgehalt. Er erhält zudem 0,75% des Ladenpreises der produzierten Bücher.

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Januar bis August 1944 Haft unter Korruptionsverdacht

Ende August 1943 wird Matthias Lackas in Berlin verhaftet, Anfang September wird Johannes Banzhaf in Gütersloh von der Polizei verhört, nachdem Geschäftsbriefe von Bertelsmann - unterzeichnet von Banzhaf - an Lackas sichergestellt wurden. Wixforth ist selber Zeit mit der Einlagerung von 30 t Papier beschäftigt, die Lackas illegal privat erwarb. Am 13.12.1943 wird Johannes Banzhaf, mitterweile im Dienst der SS im Völkischen Kunstverlag tätig, verhaftet. Am 16. und am 17.12.1943 und sodann vom 28.1. bis zum 5.2.1944 ermitteln Berliner Kriminalpolizisten bei Bertelsmann. Wixforth wird nach dem Verhör, dem er sich am 29.1.1944 unterziehen muß, wegen Verdunkelungsgefahr verhaftet und in Gütersloh festgesetzt - seine Kollegen Beimdiek und Steinsiek ereilt dasselbe Schicksal. Den Anwälten des Unternehmens gelingt es in der Folge nicht, eine Überführung ihrer Mandanten nach Berlin zu verhindern. Sie werden am 6.3.1944 zusammen nach Berlin verbracht, um dort im Lackas-Prozeß zu Verfügung zu stehen, der am 14.3.1944 eröffnet. Wixforth ist am 3., 5., 6., 12. und 18.4 als Zeuge im Prozeß vorgeladen, wird jedoch, anders als Banzhaf und Beimdiek nicht vor Gericht vernommen. Am 2.8.1944 stellt das Sondergericht Bielefeld den Haftbefehl aus, der nach Abschluß des Lackas-Prozesses den Rücktransport nach Bielefeld und die Vorbereitung des Verfahrens am Ort gestattet.

In einer geschickten Initiative gelingt es den Bertelsmann-Anwälten vor Ort am 23.8.1944, die vorläufige Freilassung Wixforths, Beimdieks und Steinsieks zu erwirken. Gegen diese werde, so die erfolgreiche Unterstellen der Firmenanwälte, vor allem wegen des illegal überhöhten Erwerbs von Finnlandpapier ermittelt - ein Tatsbestand, der ein Ordnungstrafverfahren rechtfertigt, nicht aber eine Inhaftierung. Die Bielfelder Sonderstaatsanwaltschaft beschließt die Freisetzung, nachdem aus Berlin keine detailierteren Anklagepunkte zu beziehen sind.

Wixforth wird am 17 und am 18.10.1944 erneut verhört, es geht jetzt vor allem um eine Überprüfung der Aussagen, die Banzhaf machte. Am 13.1.1945 beschließt das OKW die Rückführung beschlagnahmter holländischer Paperbestände. Wixforth organisiert im folgenden Monat deren Transport nach Gütersloh. Ende Februar, Anfang März 1945 gelingt es den Bertelsmann-Rechtsbeiständen Möhle und Landmeyer mit dem ermittelnden Bielfelder Sonderstaastanwalt Niederlag die Auflösung des Verfahrens zugunsten eines Ordnungsstrafverfahrens auszuhandeln, in dem die involvierten Wirtschaftsstellen ihre Ansprüche gegenüber Bertelsmann geltend machen müssen. Die beschlagnahmten Papierkontingente werden am Ende Bertelsmann zur vorläufig freien Verfügung überantwortet. Für Banzhaf, Beimdiek, Steinsiek und Wixforth bedeutet die Entscheidung den Freispruch von allen Korruptionsvorwürfen. Am 19.3.1945 werden die Haftbefehle gegen sie offiziell aufgehoben.

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Neubeginn 1945, Berater Reinhard Mohns und ab 1950 Hauptinitiator des Bertelsmann-Leserings

Fritz Wixforth gehört mit dem Ende des Krieges zu den unbelasteten Mitarbeitern im Unternehmen. Banzhaf, Steinsiek, Beimdiek und Berthoud waren 1941 und 1942 in einer konzertierten Aktion der NSDAP beigetreten. Als unglückliche Entscheidungen in der Unternehmensspitze durch Verschweigen von NS-Mitgliedschaften sich eine Vergünstigung bei der Zeitschriften-Lizensierung zu verschaffen, den Rücktritt von Heinrich Mohn erzwingen und dessen Sohn Reinhard Mohn zum Unternehmenschef aufsteigt, festigt sich Wixforths Rolle als fürender Berater. Unter seiner Initiative beginnt Bertelsmann 1950 den Aufbau des Bertelsmann-Leserings, der das Unternehmen in wenigen Jahren zum größten Buchkonzern in der BRD macht. Auf ene Initiative des Verlags, der Rainer Barzel schließlich den notwendigen Nachdruck verleiht, erhält Wixforth 1963 das Bundesverdienskreuz, er stirbt 1976.

 

Literatur

Göök, Roland, Bücher für Millionen. Fritz Wixforth und die Geschichte des Hauses Bertelsmann (Gütersloh: Bertelsmann, 1968).

Friedländer, Saul et al. (eds.), Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002).

Hans-Eugen Bühler/ Olaf Simons, Die blendenden Geschäfte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (Köln: Pierre Marteau, 2004), 208 S, ills. [Verlagswerbung]


Ende