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Mohn, Heinrich Karl
27.3.1885 - 26.4.1955

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Viereck Susanne Lang, 2004

 

 

Biographie
Literatur
Heinrich Karl Mohn

Bild: Archiv der Bertelsmann AG

 

 

Biographie

Von 1921 bis 1947 Chef des Verlags C. Bertelsmann, Gütersloh, bis zur Umwandlung des Unternehmens in eine Kommanditgesellschaft am 17.12.1943 zudem persönlicher Inhaber des Hauses.

Geboren am 27.3.1885 in Gütersloh als Sohn des Firmeninhabers Johannes Mohn und dessen Frau Friederike (geb. Bertelsmann). Mohn besucht von 1895 bis 1902 das bereits von Carl Bertelsmann (1791-1850) gegründete Evangelisch-Stiftische Gymnasium, muss die Ausbildung jedoch wegen seiner schlechten Gesundheit abbrechen. Von 1902 bis 1908 absolviert er mehrere Ausbildungen in den Städten Leipzig, Bern und London zur Vorbereitung seiner späteren Stelle als Unternehmensleiter: Eine Buchhändlerlehre, Sprachstudien, eine Druckausbildung und Volontariate in Buchhandlungen. 1910 steigt er als Teilhaber ins väterliche Unternehmen ein. Zwei Jahre später heiratet er Agnes Seippel (geboren am 27.3. 1889, Tochter eines Pastors, älteste von sechs Geschwistern, ihre Mutter stammt aus einer Gütersloher Kaufmannsfamilie, zu ihrer Verwandtschaft gehören mehrere Geistliche). Gemeinsame Kinder sind Hans Heinrich (1913-1939), Ursula (1915), Annegret (1916), Siegbert (1918-2002), Reinhard (1921) und Gerd (1926). Im Sommer 1914 meldet sich Mohn freiwillig zum Kriegsdienst, er dient zunächst als Gefreiter der Feldartillerie, später als Offizier der Kaiserlichen Armee. Nach seiner Rückkehr übernimmt er 1921 das Unternehmen.

Der schwere Astmathiker meidet Gütersloh zu Beginn seiner Unternehmensführung. Die Arbeit im Unternehmen macht die Anwesenheit vor Ort jedoch langfristig unumgänglich - Mohn bewältigt diese Schwirigkeiten an einen elektrischen Inhalator gebunden. Auf Reisen bedient er sich eines kleineren transportablen Geräts. Trotz dieser chronischen Erkrankung betreut er persönlich die theologischen Autoren seines Verlags und übernimmt im Konfliktfall, wie 1943/44 gegenüber Hans Grimm, auch die Betreuung von Autoren der anderen vorhandenen Sparten. Mit ausgewählten Lehrlingen führt er im Tagesgeschäft die Buchkalkulation durch. Sein besonderes Engagement gilt zudem der innerbetrieblichen Sozialpolitik. Im Betrieb existieren ein gemischter Chor, ein Orchester, eine "Werkfrauengruppe" und auch eine "Betriebssportgemeinschaft". Die 1887 eingeführte Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse wird 1926 wiederbelebt und 1938 erneuert.

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Der Verlag unter der Leitung Heinrich Mohns

Das Unternehmen, das Heinrich Mohn 1921 übernimmt wird noch im Stil des 19. Jahrhunderts geführt. Der Verlag hat 84 Mitarbeiter, und der Jahresumsatz liegt bei knapp 700.000 Reichsmark. Der technische Betrieb ist überaltert und nicht voll eingesetzt, die Durchschnittsauflagen sind zu klein. Die Betriebsbuchhaltung ist ebenfalls zurückgeblieben. 1923 bereitet die Inflation dem Unternehmen eine herbe Krise. Die Produktion wird kurzfristig eingestellt, das Haus beschäftigt nur noch sechs Mitarbeiter. Die Jahre bis 1926 bringen jedoch eine Erholung. Die Modernisierungsmaßnahmen, die bei der Geschäftsführung und der betriebswirtschaftlichen Kalkulation ansetzen, erlauben Umsatz- und Ertragssteigerungen. Mohn zielt auf Produktbereiche, die größere Auflagen ermöglichen. Maschinenschriftliche Herstellungslisten erfassen ab 1924 die gesammte Jahresproduktion, zusätzlich analysiert der Firmenchef in einem schwarzgrünen Statistikbuch und dessen Ergänzungsband (Mohns persönliche Kladden) die geschäftliche Entwicklung seines Unternehmens. Beide Bände sind gefüllt mit Tabellen und statistischen Analysen, der Ergänzungsband reicht bis in die Nachkriegszeit des Unternehmens. Auch die Betriebsorganisation wandelt Mohn um. Einzelne Angestellte erhalten die Chance, Projekte ressortübergreifend zu gestalten, Teamarbeit gedeiht wenig später im Kreis der leitenden Angestellten unter dem "Bürochef" Fritz Wixforth.

In den ersten Jahren bleibt es im Verlagsprogramm bei der erbaulich- religiösen Literatur und der biblisch ausgerichteten Theologie. Neu ins Verlagsprogramm nimmt Mohn Publikationen für Kinder und Jugendliche, wie sie Johannes Zauleck Mitte der Zwanziger Jahre dem Verlag in wachsender Produktpalette anbietet. Des weiteren nimmt er neue wissenschaftlich- theologische Buchreihen und Zeitschriften ins Programm auf. Die Herausgabe von Gesangbüchern wird ausgeweitet. Anders als die über die Gemeinden vertriebenen Schriften Zaulecks erweisen sich die wissenschaftlichen Projekte jedoch Ende der Zwanziger Jahre als Verlustbringer. Ab 1928 gibt Mohn Fritz Wixforth freie Hand beim Aufbau eines belletristischen Sortiments. Die neue Produktion wird ab 1934 mit dem Angebot von Kriegsbüchern (anfänglich Rückblicke auf den ersten Weltkrieg, ab 1939 aktuelle Kriegsberichterstattung) zum geschäftlichen Erfolg. Bertelsmann entwickelt sich im Dritten Reich vom theologischen Fachverlag mit starker provinzieller Bodenhaftung zum Bestseller-Verlag. Dies ist eine Leistung, die vor allem der Freiheit zu verdanken ist, welche Mohn seinen wichtigsten Managern läßt: Fritz Wixforth,, dem Vertriebsleiter und Johannes Banzhaf, der von 1939 bis 1943 dessen Position als Initiator in der Rolle des Herstellungsleiters vertritt und Bertelsmann zum wichtigsten Lieferanten der Wehrmacht macht.

Zur der Einweihung des "Erweiterungsbaus der technischen Betriebe" 1939, der wegen der starken wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung des Verlags notwendig wird, fasst der Betrieb über 400 Mitarbeiter. Im September des gleichen Jahres wird zusätzlich der Rufer Verlag gekauft, um im Bedarfsfall jederzeit die theologische Produktion des Unternehmens aus dem florierenden belletristischen Verlag ausgliedern zu können.

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Verhaftungen enger Mitarbeiter Mohns und Schließung des Verlags

Ende 1943 und Anfang 1944 werden die führenden Mitarbeiter des Unternehmens Banzhaf (ehemals Herstellungsleiter), Beimdiek (Kontakt zu Wehrmachtstellen und Auslieferung), Steinsiek (1. Prokurist, Mohns Stellvertreter und Schwager) und Wixforth (Prokurist und Vertriebsleiter) wegen Verdunklungsgefahr durch die Kriminalpolizei verhört und inhaftiert. Ihnen wird vorgeworfen, Papier auf dem schwarzen Markt in Holland und Werkdruckpapier (Finnlandpapier) ohne Genehmigung der WiBu beschafft zu haben. Zudem sollen die Auflagen, die der Verlag an öffentliche Stellen absetzte, ohne Druckgenehmigung durchgeführt worden sein. Mohn wird auf Mitverantwortlichkeit geprüft, eine Festnahme ebenfalls wegen Verdunklungsgefahr wird in Erwägung gezogen.

Am 5.2.1944 kommt es zum Verhör Mohns durch Saal und Vogel in den Diensträumen der Kripo Gütersloh. Ein ärtzliches Gutachten (Mohn wird für "haft- aber nicht lagerfähig" befunden) verhindert jedoch die Verhaftung und Überführung nach Berlin, der Beimdiek, Steinsiek und Wixforth zur Vorführung im Prozeß gegen Matthias Lackas und andere am 6.3.1944 unterworfen werden.

Der Prozeß gegen Matthias Lackas läuft vom 14.3. bis zum 22.4.1944. Ein Anschlußverfahren gegen Bertelsmann wird geplant, und soll vor dem Sondergericht Bielefeld stattfinden - die inhaftierten (ehemaligen) Bertelsmann-Mitarbeiter werden dazu von Berlin nach Bielfeld überführt. Nach langwierigen Verhandlungen werden Steinsiek, Beimdiek und Wixforth am 23.8.1944 vorläufig entlassen, Banzhaf bleibt inhaftiert. Die endgültige Aufhebung der Haftbefehle gegen Steinsiek, Wixforth, Beimdiek und Banzhaf erfolgt am 20.3.1945. Das Unternehmen wird de facto von den im Raum stehenden Korruptionsvorwürfen freigesprochen, beschlagnahmte Papiervorräte gelangen in die Verffügungsgewalt des Hauses zurück.

Beruhend auf dem Führererlaß vom 13.1.43. werden ab April über zwanzig das Buchgewerbe betreffende Schließungslisten erstellt. Sowohl Rufer-Verlag als auch C.Bertelsmann sind bedroht. Auf Grund des gewaltigen Volumens mit dem letzterer Verlag für die Wehrmacht arbeitet zögert das RMVP jedoch. Der Vorschalg seitens C.Bertelsmann, seine theologische Produktion an ein regulär zu schließendes Unternehmen (intern vorgesehen wurde Der Rufer) abzugeben und dafür den eigenen weiteren Bestand zu sichern, wird vom Propagandaministerium akzeptiert. Im September 1943 wird der Rufer-Verlag geschlossen. In einer erneuten Schließungswelle gehen am 28.8.1944 neue Schließungsverfügungen, diesmal jedoch für beide Verlage in Gütersloh ein. Der Rufer Verlag wurde bereits geschlossen. Einspruch gegen die Verfügung, die sich an C. Bertelsmann wanndte, erhebt man nicht, anders als noch 1943 - zu aussichtslos scheint der Protest eines Unternehmens, gegen das noch immer ermittelt wird. Da aber die innerbetriebliche Druckerei nicht unter der Verlagsschließung litt, konnte Mohn deren Kapazität voll auslasten.

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Heinrich Mohn und die Politik

Politisch ist Heinrich Mohn in den 1920ern noch deutschnational eingestellt. Mitglied der NSDAP wird er nie. Seine dokumentierten Aussagen bei Belegschaftsansprachen wie seine Korrespondenzen mit Will Vesper und Hans Grimm zeigen jedoch deutlich, daß er ab Mitte der Dreißiger Jahre die Aufrüstungsanstrengungen der nationalsozialistischen Regierung mit Sympathie verfolgte.

Die Mitgliedschaft in untergeordneten Organisationen des NS-Staates hat offiziell vor allem berufliche Gründe. Eine Teilnahme als Mitglied der Reichsschrifttumskammer ist zur damaligen Zeit gänzlich unumgängich. Darüber hinaus unterstützt Mohn mehrere nationalsozialistische Organisationen durch regelmäßige Geldspenden, darunter: den Bund Deutscher Mädel, die Flieger- HJ, das nationalsozialistische Fliegerkorps, die NSDAP ("um unbehelligt zu bleiben") und die SS (als Förderndes Mitglied). Wann Mohn Mitglied des Förderkreises der SS wurde, ist unbekannt. Die Kenntnis über seine Zugehörigkeit basiert auf eigenen Aussagen nach Kriegsende. Auch die Höhe der Spendensummen für die SS ist nicht zu belegen. Jedoch ist zu belegen, dass zwischen 1938 und 1940 insgesamt rund 15.000 Reichsmark an das NS-Winterhilfswerk, das Deutsche Rote Kreuz und die Adolf- Hitler- Spende der Deutschen Wirtschaft übergeben wurden. Die Spenden gingen, soweit ersichtlich, über das, was als Mindestbeitrag in Frage gekommen wäre, hinaus.

Offensichtlich bleibt, daß Mohn sich in der Unternehmensführung an nationalsozialistischen Prinzipien orientiert. So ist beispielsweise ab 1937 der 30. Januar regelmäßig Anlaß zum Betriebsappel mit "Führergruß". 1936 führt Mohn das Gemeinschaftsbuch der Deutschen Arbeitsfront (DAF) ein. Hier soll innerbetriebliches Leben dokumentiert werden. Ferner wird laut Betriebsordnung bei der Aufnahme in die Betriebsgemeinschaft die Zugehörigkeit der Erwachsenen zur DAF und zur NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt), der Jugendlichen zur HJ oder BDM erwartet bzw. vorausgesetzt. Über Mohns konkrete Beziehungen zur Deutschen Arbeitsfront ist jedoch wenig bekannt.

Aussagen Mohns zu Kreisen des Widestands der Bekennenden Kirche finden sich erst in den Darstellungen, mit denen Mohn sein Unternehmen nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs den alliierten Behörden darstellte.

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Der Rücktritt Heinrich Mohns von seiner Stellung als Chef des Verlags C. Bertelsmann

Ab 1945 bemüht der Verlag C. Bertelsmann sich Lizenzen für die Herausgabe von Büchern und Zeitschriften - unterschiedliche Stellen sind für diese zuständig. Probleme kommen 1946 mit Mohns Antrag auf Lizenzierung der "Deutschen Hefte" auf. Der Entnazifizierungsbogen, den Mohn 1946 dem Gesuch um die Lizenz beilegt, enthält unvollständige Angaben: Er verschweigt seine fördernde Mitgliedschaft bei der SS und die Mitgliedschaft seiner Tochter Ursula Fischer in der NSDAP. Auch seine Spenden an nationalsozialistische Organisationen sind nur teilweise gelistet. Den Entnazifizierungsausschuss in Gütersloh passieren die Papiere zwar unbeanstandet, jedoch äussert die Zeitschriftenabteilung der britischen Information Control politische Bedenken gegen die früheren Veröffentlichungen des Verlages. Die Zeitschriftenlizenz bleibt aus. Informationen über die Buchproduktion der vergangenen Jahre werden gefordert. Zusätzlich ist der Stelle die Unvollständigkeit Mohns Entnazifizierungsbogens aufgefallen. Es kommt in der Folge zu nervösen Verhandlungen zwischen dem Verlag und den Besatzungsbehörden, in denen Mohns Sohn Reinhard eine wichtige Rolle spielt.

Reinhard Mohn reist schließlich am 18.3.1947 mit einer Liste der Buchproduktion und mit dem Entnazifizierungsbogen seines Vaters nach Düsseldorf um mit dem zuständigen Behördenvertreter Felix über die Problematik der Zeitschriftenlizenz zu sprechen. Felix jedoch erklärt Reinhard Mohn unter anderem, dass er durch "Archivangaben" wisse, dass ein "Teilhaber des Verlags Parteimitglied gewesen sei". Reinhard überreicht ihm darauf hin ein Bücherpaket und verlässt unverzüglich den Raum.

Als Reaktion auf dieses Gespräch steigt Ursula Fischer (geb. Mohn) aus dem Kreis der Kommanditisten am 11.4.1947 aus. Die jedoch gravierendere Folge: Heinrich Mohn muss am 23. April 1947 die Leitung des Unternehmens abgeben und ist ebenso gezwungen aus dem Kreise der Kommanditisten auszuscheiden. Am selben Tag erklärt sich Sohn Reinhard Mohn bereit, die Leitung von C.Bertelsmann und Der Rufer zu übernehmen. Eine Zusage zu besagter Lizenz bekommt er von Felix - ob auf das Ausscheiden seines Vaters hin ist nicht bewiesen, liegt aber nahe - im Mai des selben Jahres. Am 29.9.1947 ernennt er seinen Vater zum Generalbevollmächtigten und kurz darauf, Am 20.10.1947, tritt der damals 25 jährige Reinhard Mohn offiziell die Nachfolge seines Vaters an. Ursula kehrt im August 1948 wieder in den Kreis der Kommanditisten von C. Bertelsmann zurück.

Am 26. April 1955 stirbt Heinrich Mohn im Alter von 70 Jahren.  

Literatur

Friedländer Saul et al. (eds.), Bertelsmann im Dritten Reich (Gütersloh: Bertelsmann, 2002).