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Grimm, Hans
22.3.1875 - 27.9.1959

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Viereck Martin Wellmann, 2004

 

 

Biographie
Veröffentlichungen
Nachlaß
Literatur
Hans Grimm

 

 

Biographie

Hans Grimm wurde am 22.3.1875 als Sohn des Juristen Julius Grimm und dessen Frau Marie, geb. Schlumberger, in Wiesbaden geboren. Sein Vater war Gründungsmitglied des Deutschen Kolonialvereins und engagierte sich auch politisch als nationalliberaler Landtagsabgeordneter.

Bereits in seiner Kindheit zeigte sich seine schriftstellerische Neigung. Mit 12 Jahren schrieb Grimm das Drama Robin Hood, das unveröffentlicht blieb. Der junge Grimm - oft als träumerisch und gehemmt beschrieben - verbrachte sine Kindheit sehr zurückgezogen. Dies lag vielleicht daran, dass er durch einen Unfall stark sehbehindert war und unter Allergien litt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Realgymnasiums studierte Grimm 1894 in Lausanne Literatur. Jedoch brach er sein Studium nach nur einem Jahr, da sein Vater sich für seinen Sohn Festigung und Selbstständigkeit wünschte, ab. Anschließend begann er in den Jahren 1895-1897 eine Ausbildung zum Auslandskaufmann in London.

Nach erfolgreichem Abschluss reiste Hans Grimm im Spätherbst 1897 nach Südafrika, wo er die nächsten 10 Jahre seines Lebens verbrachte. Er hat zunächst als Angestellter einer deutschen Importfirma in Port Elizabeth gearbeitet, um sich ab 1901 als selbstständiger Einfuhrkaufmann und Hafenagent der Deutschen Ost-Afrika-Linie in East London zu betätigen. Dort pachtete er zudem eine kleine Farm. Grimms Ausbildung in London und sein langjähriger Afrikaaufenthalt trugen viel zu seinem Englandbild bei. Er stellte eine gewisse Diskrepanz zwischen Engländern und Deutschen fest, die jedoch fast ausschließlich von den Engländern ausging. Dieser Eindruck war für viele seiner Werke, wie zum Beispiel Volk ohne Raum (1926) oder die Englische Rede (1938), prägend. Im Jahr 1908 kehrte Grimm zurück nach Deutschland und betätigte sich schriftstellerisch.

Nach über einjährigem Aufenthalt verließ Hans Grimm Deutschland wieder. Er reiste als Presseberichterstatter der Täglichen Rundschau durch Deutsch-Südwestafrika. Im selben Jahr kehrte er wieder nach Deutschland zurück und begann das Studium der Staatswissenschaften in München. Neben seinem Studium betätigte sich Grimm als freier Schriftsteller. Im Jahr 1911 heiratet er seine Frau Marie, die aus einer württembergischen Weingroßhändlerfamilie stammte. Grimm wechselte seinen Wohnsitz und setzte sein Studium ab 1914 in Hamburg fort.

Während des Ersten Weltkriegs diente Grimm ab 1916 zunächst als Frontsoldat, später wurde er als Dolmetscher an der Front eingesetzt. Im Jahr 1917 erhielt Hans Grimm den Auftrag des Reichskolonialamts eine Darstellung deutscher Frauen und Männer in Afrika zu schreiben. Nach Abschluss dieser Arbeit, die 1918 unter dem Titel Der Ölsucher von Duala erschien, wurde Grimm zum wissenschaftlichen Hilfsarbeiter in der Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung kommandiert. Nach dem Krieg kaufte Grimm das Herrenhaus einer aufgelösten Klosterdomäne in Lippoldsberg/Weser und ließ sich dort mit seiner Familie nieder.

Seit 1920 arbeitete Grimm an seinem bekanntesten Werk Volk ohne Raum, das 1926 im Albert Langen Verlag erschien und in zwei Bänden veröffentlicht wurde. Es handelt von den politischen und wirtschaftlichen Problemen der Deutschen und zeigt wie diese zu bewältigen seien, nämlich durch die Ausweitung des deutschen Lebensraums.

Der Roman zählt zu den am häufigsten verkauften Büchern in der Weimarer Republik und wurde von den Nationalsozialisten zur Pflichtlektüre in den deutschen Schulen diktiert. Damit zählt er als "Klassiker" der "Blut- und Bodenliteratur". Durch den Erfolg von Volk ohne Raum stieg nicht nur Grimms Gefühl seine politischen Ansichten bestätigt zu wissen, auch seine Reputation mehrte sich. So wurde er im Jahr 1927 zum Ehrendoktor der Universität Göttingen ernannt und ihm 1932 der Goethe-Preis der Stadt Frankfurt verliehen. Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurde Grimm Mitglied des Präsidialrats der Reichsschrifttumskammer und Senator der Deutschen Akademie der Dichtung ernannt. Trotz der Tatsache, dass Hans Grimm zu den Lieblingsautoren von Adolf Hitler zählte, trat er nie der NSDAP bei. Grimm konnte sich nie vollständig mit der Ideologie des NS-Regimes identifizieren.

In der Zeit von 1934-1939 veranstaltete Grimm jährlich im Frühsommer seine populären "Lippoldsberger Dichtertage". In seinem Klosterhof versammelte er, zur Pflege der "völkischen Dichtung", national-konservative Schriftsteller um sich. Diese Treffen fanden unabhängig von NS-Organisationen statt und waren somit vielleicht auch ein Protest gegen die nationalsozialistische Kulturpolitik.

Aufgrund von politischen und ideologischen Differenzen erfolgte im Jahr 1935 seine Entlassung aus der Reichsschrifttumskammer. Grimm, der noch immer Kritik an einzelnen "Auswüchsen" des NS-Staates ausübte, wurde 1938 vom Propagandaminister Joseph Goebbels scharf zurechtgewiesen, indem er ihm mit Verhaftung drohte. Daraufhin zog sich Grimm immer mehr ins Privatleben zurück.

1938 wechselte Grimm von seinem Verlag Langen/Müller zu C. Bertelsmann. Bei Bertelsmann wurden viele seiner alten Kolonialtexte veröffentlicht. Politische Schriften, ausgenommen der "Englischen Rede", fanden beim neuen Verlag keinen großen Anklang. Dennoch unterstützte Bertelsmann die Fertigstellung von Grimms neuestem Werk Heynade und England in jeglicher Hinsicht. Bis 1945 arbeitete der Erfolgsautor an seinem Projekt, das nie fertig gestellt wurde. Am Ende des Kriegs wurde von den Amerikanern eine Rohform von mehr als 6000 Seiten gefunden. Mehr zu Grimm und Bertelsmann.

Im Jahr 1949 wurden die Lippoldsberger Dichtertage von Grimm wieder ins Leben gerufen. Die ersten Dichtertage nach dem Krieg waren mit 2000 und 3000 Menschen gut besucht und erhielten zudem ein großes durchaus positives Presseecho. Nach Grimms Tod (1959) ließ das Interesse für die Treffen der "ewig Gestrigen" spürbar nach. Zum letzten Dichtertag im Jahr 1981 kamen nicht ganz 200 Besucher.

Als sich nach Ende des Krieges, im Jahr 1945, der Erzbischof von Canterbury mit einer vierseitigen Botschaft an das deutsche Volk wandte, schrieb Grimm 1950 ein über 200seitiges Buch mit dem Titel Die Erzbischofschrift. Antwort eines Deutschen. Darin verteidigte Grimm den "ursprünglichen Nationalsozialismus" und sprach von ihm als eine notwendige Maßnahme gegen die "Vermassung" und somit gegen den "Verfall der europäischen Kultur". Weiterhin klagte er die Siegermächte an, die Schuld an der Eskalation des Kriegs zu haben.

1951 gründete Grimm seinen eigenen Verlag, den Klosterhausverlag in Lippoldsberg. Grimm ließ sich als parteiloser Kandidat der neonazistischen Deutschen Reichspartei bei den Bundestagswahlen im Jahr 1953 aufstellen. Die Partei scheiterte jedoch an der neu eingeführten Fünf-Prozent-Klausel. Im darauf folgenden Jahr konnte man erneut seine Sympathien für den Nationalsozialismus erkennen. Mit Warum, woher, aber wohin? veröffentlichte er im eigenen Klosterhausverlag eine über 600-seitige Schrift um Hitlers Politik vehement zu verteidigen. Er nannte ihn den "geschichtlich ahnungsvollsten Warner" und begab sich dadurch zunehmend in geistige und gesellschaftliche Isolation. Am 27.9.1959 starb Hans Grimm in Lippoldsberg an der Weser. Er wurde im Kreuzgang des ehemaligen Klosters beigesetzt.

 

Veröffentlichungen

Südafrikanische Novellen. (Frankfurt am Main, 1913).

Der Gang durch den Sand und andere Geschichten aus südafrikanischer Not (München: Albert Langen, 1916).

Der Ölsucher von Duala. Ein Tagebuch. (Berlin: Ullstein, 1918).

Die Olewagen-Saga (München: Albert Langen, 1918).

Volk ohne Raum (München: Albert Langen, 1926).

Die dreizehn Briefe aus Deutsch-Südwest-Afrika (München: Albert Langen, 1928).

Das deutsche Südwester-Buch (München: Albert Langen, 1929).

Der Richter in der Karu und andere Geschichten (München: Albert Langen, 1930).

Utz Himmelreichs Schlüssel. Tod durch Feuer. Zwei Geschichten. (Heilbronn, 1930).

Die Geschichte vom alten Blute und der ungeheueren Verlassenheit. (Berlin, 1931).

Der Schriftsteller und die Zeit. Bekenntnis (München: Albert Langen, 1931).

Von der bürgerlichen Ehre und bürgerlichen Notwendigkeit (München: Langen/Müller, 1932).

Was wir suchen, ist alles. Drei Novellen. (Berlin, 1933).

Lüderitzland. Sieben Begebenheiten (München: Langen/Müller, 1934; 1951 unter dem Titel Geschichten aus Südwest-Afrika. Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1951).

Bücher in meinem Leben. Den Bücherfreunden als Gruß zur Göttinger Tagung im Mai 1935 vom Universitätsbund Göttingen. (Göttingen, 1935).

Ein englischer Aufsatz, der Geschichte wurde. Eine Mitteilung. (Berlin, 1935).

Wir von der Weser. Festschrift. (Göttingen, 1935).

Amerikanische Rede. (Gütersloh: C. Bertelsmann, 1936).

Der Elefanten Wiederkehr (München: Langen/Müller, 1936).

Südafrikanische Gestalten. Zwei Erzählungen. Frankfurt am Main, 1936).

Glaube und Erfahrung. Sätze aus den Werken von Hans Grimm (München: Langen-Müller, 1937).

Englische Rede. Wie ich den Engländer sehe. Deutscher und englischer Wortlaut (Gütersloh: C. Bertelsmann, 1938).

Die drei lachenden Geschichten (München: Langen/Müller, 1939).

Der Leutnant und der Hottentott und andere afrikanische Erzählungen. (Hamburg, 1939).

Novellen aus Südafrika. (Leipzig, 1942).

Der Schultheiß. (Gütersloh: C. Bertelsmann, 1942).

Die Dirne auf dem Felde. (Gütersloh: C. Bertelsmann, 1943).

Die Erzbischofschrift. Antwort eines Deutschen. (Göttingen, 1950).

Rückblick. (Göttingen, 1950).

Leben in Erwartung. Meine Jugend. (Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1954).

Erkenntnisse und Bekenntnisse. (Göttingen, 1955).

Gedichte vielerlei Herkunft, als irdische Losungen für werktätige Menschen. (Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1957).

Mordenaars Graf. (Lippoldsberg, Klosterhausverlag, 1958).

Suchen und Hoffen. Aus meinem Leben 1928 bis 1934. (Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1960).

 

Nachlaß

Hans Grimms Nachlass befindet sich im Literaturarchiv in Marbach. Er umfasst 367 Kästen.

Zum Nachlass gehören: unzählige Briefe, Jugendgedichte, Tagebücher von und über Grimm aus den Jahren 1878-1959, Lebensdokumente, Ehrungen, Nachrufe, Honorarbescheide, Verlagsverträge, Werbematerial für einzelne Bücher und für Lesungen, seine literarischen und politischen Schriften, offene Briefe, Rezensionen, Sonderdrucke und Zeitschriften, Zeitungsausschnitte, Tonbandaufzeichnungen und zahlreiche Photographien zu den Lippoldsberger Dichtertagen von 1934 bis 1960, und vieles mehr.

Literaturarchiv-Marbach

 

Literatur

Birkenfeld, G.: Volk ohne Schuld? In: Das literarische Deutschland 5, 1951.

Brand, G. G.: Hans Grimm. In: Die schöne Literatur, 1926.

Delft, K. van: Kritische Apologie des Nationalsozialismus: Hans Grimms Konservative Revolution? In: Jörg Thunecke (Hrsg.): Leid der Worte. Panorama des literarischen Nationalsozialismus, 1987.

Delft, K. van: Der verkannte Hans Grimm, 1975.

Eiselen, G.: Südafrikanische Lebensform in Hans Grimms Dichtung, 1951.

Friedländer, S.; Frei, N.; u.a.: Bertelsmann im Dritten Reich, 2002.

Haerdter, R.: Antwort eines deutschen an Hans Grimm. In: Die Gegenwart, 1.10.1950.

Heiseler, B. von: Hans Grimm und das deutsche Schicksal. In: Ahnung und Aussage, 1939.

Hoffknecht, A.: Hans Grimm. Weltbild und Lebensgefühl, 1934.

Kaltwasser, K.: Das Schicksalsbuch. Eine wahre Geschichte um "Volk ohne Raum", 1937.

Kindermann, H.: Der Künstler des Ausland-Deutschtums. In: Völkische Kultur, 1935.

Kirsch, E.: Hans Grimm als Wegbegleiter nordischer Gesamtschau, 1937.

Kirsch, E.: Hans Grimms "Volk ohne Raum" als Bildungsroman. In: Dichtung und Volkstum 38. 1937.

Lattmann, D.: Raum als Traum. Hans Grimm und seine Saga von der Volkheit. In: Karl Schwedhelm (Hrsg.): Propheten des Nationalismus, 1969.

Sarkowicz, H.: Zwischen Sympathie und Apologie: Der Schriftsteller Hans Grimm und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. In: Karl Cortino (Hrsg.): Intellektuelle im Bann des Nationalsozialismus, 1980.

Thielmann, K.: Der Stil Hans Grimms, 1943.

Tucholsky, K.: Grimms Märchen. In: Die Weltbühne 36, 1928.

Zimmermann, P.: Kampf um den Lebensraum . Ein Mythos der Kolonial- und Blut-und-Boden-Literatur. In: H. Denkler und K. Prümm (Hrsg.): Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Themen - Traditionen - Wirkungen. 1976.