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Steinsiek, Gerhard
3.6.1897 - 1969

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Viereck Hans-Eugen Bühler / Olaf Simons, 2003

Nach Heinrich Mohn in den 1930er und 1940er der ranghöchste Mitarbeiter im Verlag C. Bertelsmann - seit 1935 mit dem Firmeninhaber verschwägert, finanziell am Unternehmen beteiligt - gegenüber Banzhaf, Wixforth und Beimdiek eher mit dem Hause Mohn assoziiert, scherzhaft im Blick auf seine etwas größere Frömmigkeit unter den ranghohen Mitarbeitern als der "Gesanglehrer" gehandelt.

Geboren am 3.6.1897 auf Sumatra als drittes der fünf Kinder des für die Rheinische Missionsgesellschaft in Wuppertal Barmen tätigen Missionars Wilhelm Steinsiek. Ab 1903 in Gütersloh, dort bis 1914 im Missionsknabenheim Johanneum. Besuch des Gymnasiums. 1914 Studium der Theologie in Tübingen - jedoch nur für ein Semester. Ab dem August 1914 Kriegsfreiwilliger mit Einsätzen im Westen und in Rumänien. Entlassung aus Armee am 19.12.1918.

Von Ostern 1919 bis Ostern 1922 Buchhändlerischer Lehrling der Fa. Feesche Hannover, Georgstr. 13. Wechsel als Werbeleiter für Theologica zu Bertelsmann am 1.4.1922, dort ab 3.6.1924 Prokura. Steinsiek heiratet im November 1924 die Tochter Irmgard des verstorbenen Pfarrers Seippel in Gütersloh, der Familie entspringen 7 Kinder. Irmgard Seippel ist ihrerseits die Schwester von Agnes Seippel, der Frau Heinrich Mohns - Steinsik ist damit Mohns Schwager.

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Personalchef und Lektor im Kriegsbuchsegment

Steinsieks Zuständigkeiten im Unternehmen lassen sich wie die aller führenden Mitarbeiter schwer definieren - er agiert in vielen Situationen als der leitende Geschäftsführer, berechtigt Unterschriften zu geben, die ansonsten der asthmaleidende Heinrich Mohn geben müßte. Autorenverträge werden von Steinsiek abgezeichnet, für Personalfragen ist er zuständig. Nachweislich betreut er zudem jedoch einzelne Autoren - seine Kinder überliefern, daß Paul Coelestin Ettighoffer nach seiner Afrika-Reise 1938 am Familientisch zu Gast war. Ihr Vater öffnete zu diesem Anlaß fachgerecht eine Kokosnuß, die Ettighoffer mitbrachte. Auch der Kontakt zu Fritz Otto Busch scheint über Steinsiek gelaufen zu sein. Eintritt in die NSDAP am 1.4.1941.

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Haft in Gütersloh, Berlin und Bielefeld unter Korruptionsverdacht

Mit Matthias Lackas handelte Bertelsmann bereits 1942 - Johannes Banzhaf und Wilhelm Beimdiek lieferten über ihn Bücher an öffentliche Auftraggeber. Zu Jahresbeginn 1943 stattet Lackas Bertelsmann einen Besuch ab, bei dem er die führenden Mitarbeiter des Hauses bittet, auch weiterhin über ihn Bücher an öffentliche Institutionen zu liefern - er wechselte soeben vom Deutschen Verlag zum Deutschen Archiv Verlag wechselte. Lackas bittet insbesondere um die Ausstellung von Blanko-Papierschecks – von Lieferangeboten, bei denen der Verlag weder die zu liefernden Titel noch die erforderlichen Materialkontingente einsetzt – Lackas offeriert, die ihm überlassenen Schecks maximal auszuschöpfen, sprich: Aufträge an den Verlag auf den Scecks so zu verzeichnen, daß Rohstoffkontingente über die die Auftraggeber verfügen maximal ausgeschöpft werden. Steinsiek zeichnet die Schecks schließlich blanko ab und gerät mit diesen Schecks in das Fadenkreuz der Berliner Kriminalpolizei die im Herbst 1943 gegen Matthias Lackas und die mit ihm kooperierenden Wehrmachtsstellen wegen Korruptionsverdachts ermitteln. In den Vernehmungen, die Ende Januar und Anfang Februar 1944 in Gütersloh durchgeführt werden gibt Steinsiek als Gehalt 2.000 Brutto an, er verfügt zudem über eine Stille Teilhaberschaft bei Bertelsmann und der Versandbuchhandlung Honig - aus beidem bezieht er 5-10% Teilhabe am Reingewinn. Sein Jahresgehalt liegt bei 40-50.000 RM, gegenzurechnen gegenüber 75.000 RM Schulden bei Bertelsmann aus der Teilhabe. Steinsiek wird gemeinsam mit Banzhaf, Beimdiek, Wixforth nach den Verhören gefangengenommen - nachdem er noch versuchte einen Vorrat von Zigarren zu vernichten, die als Bestechungegeschenke eingesetzt wurden. Untersuchungshaft in Gütersloh, dann, während des Prozesses gegen Matthias Lackas, Berlin und schießlich Bielefeld - geplant ist noch im Sommer 1944 die Eröffnung eines Verfahrens gegen die führenden Bertelsmann Mitarbeiter wegen Erschleichung von Uk-Stellungen (Vorwurf der Wehrkraftzersetzung), und Vergehens gegen die Kriegswirtschaftsverordnung. In einer geschickten Initiative gelingt es den Bertelsmann-Anwälten vor Ort jedoch, am 23.8.1944 die vorläufige Freilassung Beimdieks, Wixforths und Steinsieks zu erwirken. Gegen sie werde, so die erfolgreiche Unterstellung der Firmenanwälte, vor allem wegen des illegal überhöhten Erwerbs von Finnlandpapier ermittelt - ein Tatsbestand, der ein Ordnungstrafverfahren rechtfertigt, nicht aber eine Inhaftierung. Die Bielfelder Sonderstaatsanwaltschaft beschließt die Freisetzung der Inhaftierten Beimdiek, Wixforth und Steinsiek am 28.8.1943, nachdem aus Berlin keine detailierteren Anklagepunkte zu beziehen sind.

Am 16.11.1944 stellt Steinsiek, im Unternehmen wieder für die Personalbetreuung zuständig, gegenüber der NSDAP Beimdiek und Strothmann für Schanzarbeiten am Westwall zur Verfügung (UHK: I.2/2108). Ende Februar, Anfang März 1945 gelingt es den Bertelsmann-Rechtsbeiständen Möhle und Landmeyer mit dem ermittelnden Bielfelder Sonderstaastanwalt Niederlag die Auflösung des Verfahrens zugunsten eines Ordnungsstrafverfahrens auszuhandeln, in dem die involvierten Wirtschaftsstellen ihre Ansprüche gegenüber Bertelsmann geltend machen müssen. Für Banzhaf, Beimdiek, Steinsiek und Wixforth bedeutet die Entscheidung den Freispruch von allen Korruptionsvorwürfen. Am 19.3.1945 werden die Haftbefehle gegen sie offiziell aufgehoben.

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Nach dem Krieg einer der politisch belasteten Mitarbeiter

Als die allierten Kontrollbehörden in den Lizensierungsverhandlungen dem Verlag Anfang 1946 eine Trennung von allen politisch vorbelasteten hochrangigen Mitarbeitern nahelegen reichen am 27.2.1946 Steinsiek, Dessin und Berthoud ihre Demissionen ein. Während die Demission für Dessin die Trennung vom Unternehmen bedeutet, wird für Steinsiek die Unterbringung in der Mohn Druck AG zur Lösung des politischen Problems. Das Unternehmen wird in einen Produktionsbereich und in den Verlag geteilt, gemeinsam mit Heinrich Mohn beteiligt sich Steinsiek am politisch unverfänglichen Druckhaus.

Tod 1969.


Ende