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Schreiben Philipp Bouhlers an Hans Lammers mit Antwort auf Schreiben vom 7.7.1941
Berlin, 18.7.1941

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ViereckTranskript: Olaf Simons, 2004

Unter Rückbezug auf das Lammers Schreiben vom 7.7.1941 und Goeebbels Schreiben an Lammers vom 26.6.1941 wehrt sich Bouhler gegen ein Oberkommando des RMVP in Sachen Buchverbotspraxis. Die PPK muß aus hoheitsrechtlichen Gründen selbst auf die Gestapo zurückgreifen können, das stört nicht die Aufgabenverteilung im Staate, es ordnet sie — Bouhler hängt noch eine zehnseitige Abhandlung an sein Schreiben, in der er auf der einen Seite staatsrehtlich erwägt, ob die Partei nicht über den Ministerien steht und letzlich die Volstreckerun des Parteiwillens ist, und in der er auf der anderen Seite auf konkrete Streitigkeiten eingeht, wie den Vorurf, die PPK unterstütze das astrologische Schrifttum. Wozu er indes die Gewalt über die Gestapo im Konkreten benötigt, sagt er nicht.

Dokument

BAB (Reichskanzlei) R 43 II/ 479a

Berlin W 8, den 18.7.1941
Voßstraße 4
Fernruf: Ortsverkehr 12 00 54
               Fernverkehr 12 66 21

 
I 21/N-K-Verbotswesen/VII

Der Chef
der Kanzlei des Führers
der NSDAP

 

 

Sehr verehrter Parteigenosse Lammers!

Heute komme ich zurück auf Ihr Schreiben vom 7. Juli 1941 (Rk. 9581 A) in Sachen: Beschlagnahme von Büchern und erneuter Antrag des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda.

Ich danke Ihnen sehr, dass Sie mir durch Kenntnisgabe des Schreibens des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung an Sie vom 26. Juni 1941 Gelegenheit geben, schriftlich Stellung zu nehmen.

Ich muss mich selbstverständlich gegen den Antrag des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda au Änderung der Führeranordnung vom 2. April 1941 aussprechen. und zwar aus einer Reihe sachlicher Gesichtspunkte, dann aber auch auf Grund der Argumentation im Schreiben des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda und nicht zuletzt aus Gründen des persönlichen Ansehens.

Ich fasse die Gründe, die mich bewegen, gegen den Antrag des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Stellung zu nehmen wie folgt zusammen.

  1. Ich halte es nicht für tragbar, den Führer zu sich widersprechenden Anordnungen veranlassen zu wollen. Auf Grund der Klarstellung anläßlich meines Vortrages beim Führer in Sachen Verbotsrechtes, das sich aus meiner Stellung als Vorsitzender der Parteiamtlichen Prüfungskommission ergibt, habe ich die mir nachgeordneten Stellen von dem Ergebnis meines Führervortrages — wie es auch in Ihrem Schreiben an den Herrn Reichspropagandaminister vom 2. April seinen Ausdruck findet — unterrichtet und habe ebenso mit den zuständigen Stellen der Geheimen Staatspoliei und des SD-Hauptamtes die entsprechenden Vereinbarungen getroffen.

  2. Im Gegensatz zu der Anschauung des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda handelt es sich nicht um eine neue Verfügung des Führers. Ich habe dem Herrn Reichspropagandaminister diese Auffassung ausführlich dargelegt, und er hat bis heute mir gegenüber nicht widersprochen. Das Recht zum Verbotsantrag ist ein integrierender Bestandteil meiner Funktionen als Vorsitzender der PPK.

  3. Das Argument, daß durch die Tatsache meines Verbotsrechtes Verwirrung in das Verbotswesen hineingetragen wird, ist abwegig, sondern im Gegenteil wirkt sich die Polarität in der Handhabung der Verbotsdinge durchaus im Sinne einer stärkeren Klarheit und größeren Ordnung aus.

    Ich habe auch darüber dem Herrn Reichspropagandaminister meine Auffassung mitgeteilt und ihm den Vorschlag gemacht, entsprechende Vereinbarungen zu treffen, die jede Schwierigkeit ausschalten. Er hat auf meine Vorschläge bis heute nicht geantwortet.

    Ich bitte Sie, diesen Gesichtspunkt bei der Behandlung des Problems mit zugrunde zu legen.

Die vom Herrn Reichspropagandaminister aufgeworfene Frage der "Liste des unerwünschten Schrifttums" steht überhaupt in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Frage der Verbotspraxis selbst. Durch meine nun fas 7 Jahre getätigte Verbotspraxis wird die Frage einer Listenführung und die Frage einer einheitlichen Unterrichtung der Polizei- und Zollstellen überhaupt nicht berührt. Mein Zusammenwirken mit der Geheimen Staatspolizei und dem SD-Hauptamt ist reibungslos.

In der Anlage gehe ich auf das Schreiben des Herrn Reichspropagandaministers in einigen Punkten ein. Diese Darstellung dient gleichzeitig als Erläuterung meiner im Vorstehenden angeführten Argumente.

Schließlich bitte ich, falls trotz der augenblicklichen Zeitverhältnisse ein Führervortrag angesetzt wird, um Beteiligung, da es sich bei dieser Frage um eine für meine Arbeit schlechthin entscheidende handelt, während sie den Tätigkeitsbereich des Herrn Reichspropagandaministers keineswegs zentral berührt.

 

 

 

Anlage!

Anlage zum Schreiben vom 18. 7. 41 an den Herrn Reichsminister und Chef der Reichskanzlei.

 

Stellungnahme zum Schreiben des Herrn
Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda
vom 26.6.1941

In Sachen: Beschlagnahme von Büchern.
Verbot des Erscheinens neuer Bücher
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Das Schreiben des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda läßt sich auf 7 Punkte zurückführen, zu denen wie folgt Stellung zu nehmen ist.

  1. Die "Neuregelung" auf dem Gebiete des Buchverbotswesens stellt den einzigen bekannten Fall dar, in dem nicht die staatlichen Verwaltungsorgane, sondern die Partei selbst eine "unmittelbare Regierungs- und Verwaltungstätigkeit" ausübt. Diese Darstellung ist in mehrfacher Hinsicht unrichtig.

    1. Es handelt sich um gar keine "Neuregelung", sondern seit der Gründung der PPK. im Jare 1934 gehört das Verbotsrecht zu den unabdingbaren Funktionen des Vorsitzenden der PPK. und wird aus der souveränen Stellung der NSDAP. im Volkskörper abgeleitet, selbst darüber zu entscheiden und zu bestimmen, was nationalsozialistisch ist und was nicht.

      In vielen Erläuterungen und Abhandlungen ist dargelegt worden, warum die NSDAP. gerade auf eine solche Rechtsstellung nicht verzichten kann und warum diese Funktionen nicht auf einen staatlichen Apparat übertragen werden können, der sonst zu einer Art Aufsichtsbehörde auf einem für die Partei entscheidenden Gebiet werden würde.|<2>

    2. Wenn man in der Tatsache des Stellens eines Verbotsantrages gegenüber den zuständigen Staats- und Polizeibehörden eine "Regierungs- und Verwaltungstätigkeit" sehen will, dann ist es unrichtig zu sagen, daß das der einzige Fall sei, in dem die Partei ihren Willen solcherart gegenüber Staatsbehörden und Verwaltungseinrichtungen zum Ausdruck bringt.

      Aus dem Verhältnis von Kreisleiter und Landrat, aus der Tätigkeit der HJ. usw. und besonders der Stellung des Leiters der Partei-Kanzlei lassen sich eine Fülle von Tätigkeiten aufzeigen, aus denen die NSDAP. aus ihrer souveränen Rechtsstellung heraus mit bestimmten Forderungen an die Verwaltungsorgane herantritt.

      Es handelt sich also bei meinen Funktionen als Vorsitzender der PPK. keineswegs um einen besonderen einzigen Fall.

    3. Wenn der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda schon staatsrechtliche Gesichtspunkte geltend macht, dann muß darauf hingewiesen werden, daß die Durchführung der Verbote ja nicht von der Parteiamtlichen Prüfungskommission erfolgt, sondern von den hierfür vorgesehenen Verwaltungsorganen. Lediglich die Stellung des Verbotsantrages erfolgt durch den Vorsitzenden der PPK. Die Durchführung liegt bei der Polizei.

      Gerade aber aus staatsrechtlichen Erwägungen heraus lassen sich eine Menge von Argumenten anführen, die gegen eine Zusammenfassung der Verbotsfragen im Rahmen eines Ministeriums sprechen. Die Behandlung der Schrifttumsfragen muß beweglich sein, besonders auch unter dem Gesichtspunkt neu hinzukommender Gebiete zum Reich. Die Aufhebung der Arbeitsspannung zwischen Partei und Staat auf diesem Gebiet würde zweifellos unerwünschte Folgen nach sich ziehen.|<3>

  2. Der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda zieht wieder die Verwaltungsanordnung des Chefs der Reichskanzlei vom 3. April 36 an als Rechtgrundlage für einen Anspruch, nunmehr auch das Verbotsrecht des Vorsitzenden der PPK. auf seine Person zu übernehmen.

    Eine solche Bedeutung hat die angezogene Verwaltungsanordnung aber nie besessen, worauf ich bereits eingehend bei meinem Führervortrag hingewiesen habe. Ich habe diese Auffassung auch dem Herrn Reichspropagandaminister, der mir gegenüber nicht widersprochen hat, mitgeteilt.

    Die genannte Anordnung kann nach ihrem Wortlaut und aus staatsrechtlichen Erwägungen heraus nur den Sinn haben, daß im Verwaltungsbereich eine einheitliche Handhabung des Verbotswesens erzielt wird.

    Ich habe seinerzeit bereits darauf hingewiesen, daß der Führer, wenn er meine Befugnisse mit der in Rede stehenden Anordnung hätte aufheben wollen, mich zweifellos gehört hätte.

    So wie nun eine zusammenfassende Behandlung der Verbotsfragen im staatlichen Bereich erfolgt ist, war sie bereits im Bereich der NSDAP. und ihrer Arbeiten durch die Einsetzung der Parteiamtlichen Prüfungskommission manifestiert worden. Es ist ja gerade ein entscheidender Gesichtspunkt, der zur Einsetzung der Parteiamtlichen Prüfungskommission führten die hoheitsrechtliche Stellung der Partei auf dem Gebiete der geistigen Auseinandersetzung eindeutig herauszustellen.

    Danach wäre das Reichspropagandaministerium gehalten, in Verbotsfragen nicht mit den verschiedensten Stellen der Partei zu verhandeln, sondern sich an mich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der PPK. zu wenden. Gerade dadurch aber, daß es immer bestrebt war|<4> einer solchen einheitlichen Zusammenfassung auf seiten der Partei aus dem Wege zu gehen und nach Möglichkeit viele Einzelstellen, die zum Teil untereinander in gar keinem weiteren Arbeitszusammenhang stehen heranzuziehen, hat es den Aufbau einer einheitlichen Parteiarbeit auf dem i Rede stehenden Gebiet überhaupt erschwert.

    Erst die nochmalige Unterstreichung der rechtlichen Grundlage meiner Stellung als Vorsitzender der PPK. durch die vom Führer erfolgte Klarstellung, wie die im Schreiben vom 2. April 1941 des Herrn Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei zum Ausdruck kommt, legt nun auch dem Reichspropagandaministerium die Einhaltung der Zusammenarbeit mit mir als dem Vorsitzenden der PPK. zwingend nahe und verweist die Gestaltung der Verbotspraxis auf ein fruchtbares Zusammenwirken von Partei und Staat.

  3. Der Herr Reichspropagandaminister sagt, daß als einzige Dienststelle die PPK. sich mit der von ihm gewünschten Regelung nicht hat abfinden wollen.

    Das ist in der vorgebrachten Form nicht richtig. Niemals ist der Herr Minister an mich herangetreten zur Besprechung konstruktiver Vorschläge über die Handhabung des Verbotsrechtes, niemals ist mir mitgeteilt worden, daß nach Auffassung des Ministeriums auch meine Stellung als Vorsitzender der PPK. von dem Zuständigkeitsanspruch des Herrn Reichspropagandaministers mit erfaßt wird.

    Nur durch Mitteilung der Geheimen Staatspolizei im vorigen Jahre habe ich erfahren, daß eine Auffassung besteht, nach der ich nicht mehr unmittelbare Verbotsanträge gegenüber Polizeistellen erheben kann.

    Daraufhin habe ich den Führer gebeten, im Sinne meiner Auffassung eine Klarstellung zu veranlassen, da meine Tätigkeit als Vorsitzender der PPK. völlig sinnlos wäre, wenn man mir das Verbotsrecht absprechen würde. Auch von einer souveränen Rechtstellung der NSDAP. als Trägerin der politischen Willensmeinung des Volkes könnte dann auf dem Gebiet|<5> der geistigen Auseinandersetzung nicht mehr gesprochen werden, da ihre Verbotsanträge ja dann einer besonderen Genehmigung durch eine staatliche Instanz bedürfen.

    Ich glaube nicht, daß man vom Propagandaministerium staatsrechtlich als von einem Ministerium sprechen kann, das in einem stärkeren Sinne als Vollstrecker des Willens der Partei anzusprechen ist als andere Reichsinstitutionen. Ich verkenne dabei die besonderen Verdienste des Pg. Dr. Goebbels keineswegs, aber ich glaube doch, daß die übrigen Reichsministerien alle als "Vollstrecker des Willens der Partei" anzusprechen sind und, falls hier noch Schwierigkeiten liegen, diese in der weiteren Entwicklung beseitigt werden.

    Man wird zur Durchführung hoheitsrechtlicher Akte der NSDAP. staatsrechtlich nich ein besonderes Ministerium in Zukunft auswählen, sondern es kann ja nur das Ziel sein, eine gleichmäßig ausgerichtete nationalsozialistische Regierungs- und Verwaltungsordnung zu schaffen. Dadurch aber wird die Rechtsstellung der NSDAP. als politischer Anregerin und — um mit den Worten des Führers zu sprechen — "als unmittelbarer Ausdruck des volklichen Lebenswillens, von dem Antrieb und Bewegung des Staates als einer Organisationsform unseres völkischen Lebens ausgeht" [handschriftliche Einfügung:] nicht berührt.

  4. Wenn der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda schreibt, daß die PPK. "immer wieder auf einige Jahre zurückliegende Fehler ... zurückweist" und fortfährt, daß diese Fehler im Ministerium "ausschließlich dadurch entstanden sind", daß die PPK. Ihre Verbotsanträge nicht ihm (dem Herrn Minister) ordnungsgemäß zugeleitet hat, so muß ich diese Darstellung als unbegründet und nicht richtig zurückweisen.

    Bei diesen Fehlern handelt es sich vor allem um das Buch des Bischofs Hudal: "Die Grundlagen des Nationalsozialismus", um das Buch von Ward Price über den Führer, um Ausführungen von Sven Hedin in der Judenfrage usw., die vom Propagandaministerium genehmigt waren. Die PPK. konnte in diesen und anderen Fällen gar eine Verbotsanträge|<6> stellen, da die Behandlung dieser Buchvorgänge ihr vom Propagandaministerium ja vorenthalten worden war bezw., sie ausgeschaltet war und in letzter Minute erst durch Erscheinung der betreffenden Arbeiten auf dem Buchmarkt Kenntnis erhielt.

    Dann allerdings mußte ich raschest zugreifen und konnte mich nicht mehr auf lange Besprechungen mit der Bürokratie des Propagandaministeriums einlassen.

...


Ende