Einordnung
Antwort des Propagandaministers← auf Lammers'← Schreiben vom 2.4.1941← mit Hinweis auf die rechtlichen Probleme, die entstehen, sollte die Parteiamtliche Prüfungskommission← in Zukunft die Gestapo gegen Buchpublikationen ohne Rücksprache mit dem Propagandaministerium einsetzen dürfen: Die Partei gewinnt hier staatliche Kompetenzen.
Der Diskurs ist tatsächlich enigermaßen Abenteuerlich. Goeebels stellt die vom Propagandaministerium ausgehende Verbotspraxis als rechtsstaatlich gesicherte, den Verlagen und Autoren Sicherheit verschaffende Praxis dar — tatsächlich waren seine Verbotslisten geheim und tatsächlich schritt die Gestapo regulär gegen Verlage und Buchhandlungen ein, ohne diesen eine rechtsstaatliche Handhabe des Widerspruchs einzuräumen. Es wurde konfisziert und klagte der Buchhändler, er würde seinen Bestand ja selbst gerne nach allen Richtlinien einwandfrei halten, so wurde ihm Einblick in die Listen und Richtinien verweigert, da der Staat sich durchaus nicht an Richtlinien und Listen binden wollte — der Buchhändler sollte im Ungewissen über den Zugriff bleiben und in aller Sorge übervorsichtig sich selbst zensieren.
Lammers leitete das Schreiben am 7.7.1941 an Bouhler mit Bitte um Stellungnahme weiter.←
Zur Förderung astrologischen Schrifttums durch die PPK siehe die Ausführungen Hugo Kochs vom 20.5.1941← und Rudolf Erckmanns vom 21.5.1941.←
Dokument
BAB (Reichskanzlei) R 43 II/ 479a
Der Reichsminister
für Volksaufklärung und Propaganda
Berlin W8, den 26. Juni 1941
Wilhelmplatz 8-9
Fernsprecher: 11 00 14
Geschäftszeichen: S. 8170/7.2.41/674-1,5
(In der Antwort angeben)
An
den Reichsminister und
Chef der Reichskanzlei
in
Berlin.
Betrifft: Beschlagnahme von Büchern.
Verbot des Erscheinens neuer Bücher
Auf das Schreiben vom 2. April 1941 – Rk. 4533 A –←
———
Sehr geehrter Herr Reichsminister!
In Ihrem Schreiben vom 2. April 1941← teilen Sie mir mit, daß durch Entscheidung des Führers die Parteiamtliche Prüfungskommission← berechtigt sei, das Geheime Sicherheitspolizeiamt unmittelbar um die Beschlagnahme bereits erschienener Bücher und um das Verbot des Druckes und Erscheinens neuer Bücher zu ersuchen. Da diese Neuregelung auf dem Gebiet des Buchverbotswesens den einzigen mir bekannte Fall darstellt, in dem nicht die staatlichen Verwaltungsorgane, sondern die Partei selbst eine unmittelbare regierungs- und verwaltungsmäßige Tätigkeit ausübt, bedauere ich umsomehr, daß mir seinerzeit nicht Gelegenheit gegeben wurde, vor dieser Entscheidung meine Argumente vorzutragen. Ich erlaube mir daher, Ihnen im folgenden einen kurzen Überblick über die Entwicklung des Verbotswesens, sowie über die seitherigen Schwierigkeiten und die Folgen der Neuregelung zu unterbreiten.
Nach der Aufhebung des aus dem Jahre 1926 stammenden Schund- und Schmutzgesetzes im Jahre 1935 wurde in der Anordnung der Reichsschrifttumskammer vom 25.4.1935 über schädliches und unerwünschtes Schrifttum die neue gesetzliche Grundlage des Buchverbotswesens geschaffen. Um noch bestehende Zweifel zu beseitigen, wurde vom Staatsekretär und Chef der Reichskanzlei am 3. April 1936 (Rk. 3024/36) allen Reichsministern und dem Preußischen Ministerpräsidenten mitgeteilt, daß der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda für alle in der Einsetzungsverordnung vom 30. Juni 19933 genannten Sachgebiete auch für die polizeilichen Aufgaben zuständig sei.
Nach dieser grundsätzlichen Klärung hat sich in der Abteilung Schrifttum meines Ministeriums eine zentrale Buchverbotspraxis herausgebildet, bei der einheitlich die Anträge der Reichsministerien, sowie der Dienststellen der NSDAP. zusammenlaufen. Für alle Verbote habe ich mir persönlich die letzte Entscheidung vorbehalten. Die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums ist inzwischen zur festen Arbeitsgrundlage der Polizei- und Zollämter sowie sämtlicher Bibliotheken des Reiches geworden, in denen nach dieser staatlichen Liste die unerwünschte Literatur unter Verschluß gestellt wird. Der Import jeglicher ausländischer Hetzliteratur wird durch die nach dieser Liste durchgeführten Grenzkontrollen unterbunden.
Partei, Verwaltung, Wissenschaft und im besonderen Autor und Verlag haben diese einheitliche und gesetzlich fundierte Handhabung des Buchverbotswesens begrüßt. Als einzige Dienststelle hat sich die Parteiamtliche Prüfungskommission mit dieser Regelung nicht abfinden wollen und mit der Begründung, daß durch die staatliche Buchverbotspraxis das souveräne Hoheitsrecht der Partei angetastet sei, von jeher eine selbständige Handhabung der Buchverbote erstrebt. Ich vermag diese Auffassung nicht zu teilen, denn mein Ministerium tritt gerade auf diesem Gebiet in einem durchaus üblichen Sinn als Vollstrecker des Willens der Partei in Erscheinung, die bei alle Buchverboten ihres Bereiches maßgeblich beteiligt wird. Wenn die "PPK" in diesem Zusammenhang immer wieder auf einige Jahre zurückliegende Fehler, die ihr[!] Arbeitsbereich betreffen, hinweist, so sind diese Fehler ausschließlich dadurch entstanden, daß die "PPK" mir ihre Verbotsanträge damals nicht ordnungsgemäß zugeleitet hat.
Eine selbständige Buchverbotspraxis der Parteiamtlichen Prüfungskommission würde zur Folge haben, daß di zentrale und gesetzlich verankerte Buchverbotstätigkeit gestört und eine allgemeine Unsicherheit bei allen beteiligten Stellen hervorgerufen wird. Ferner ist die einheitliche Führung der Liste des unerwünschten Schrifttums nach der sich u. a. auch Polizei und Zoll richten, gefährdet. Auch ergeben sich durch die entstandene Doppelgleisigkeit schwerwiegende Unzuträglichkeiten. Beispielsweise bin ich vor langer Zeit im Zusammenwirken mit dem Reichsführer SS← und Reichleiter Rosenberg← aus wohl erwogenen kriegswichtigen Gründen gegen die unerwünschte Literatur der Wahrsagerei und Astrologie vorgegangen, worauf die Parteiamtliche Prüfungskommission auf Grund der ihr neuerdings zugestandenen Verbotsrechte eine Reihe von mir verhängter Buchverbote gegen meinen Willen von sich aus wieder aufhob. Ich könnte eine Anzahl weiterer Fälle dieser Art anführen.
Die bisherige zentrale Handhabung der Buchverbotstätigkeit entspricht den nationalsozialistischen Verwaltungsgrundsätzen, wie sie auch der Herr Reichsminister des Inneren zuletzt in seiner Schrift "Deutsche Verwaltung" 1939, S. 36, zum Ausdruck gebracht hat, sie vermeidet Doppel- und Gegeneinanderarbeiten verschiedener Dienststellen und hat sich in sechsjähriger Arbeit auf das beste bewährt.
Ich schlage daher vor, daß sich auch die Parteiamtliche Prüfungskommission dieser zentralen Regelung anschließt, wobei ich die Garantie dafür übernehmen, daß ihre Verbotsanträge binnen kürzester Frist bearbeitet und von mir persönlich entschieden werden. In Zweifelsfällen werde ich mir von mir aus das notwendige Einvernehmen mit Reichsleiter Buhler herbeiführen bezw. die Entscheidung des Führers beantragen.
Ich bitte Sie, sehr geehrter Parteigenosse Dr. Lammers, meine Stellungnahme zum Gegenstand eines neuen Führervortrages zu machen.
Heil Hitler!
In Vertretung
Gutterer [?]