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Stinnes, Hugo
2.2.1870 - 10.3.1924

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Biographie
Literatur

Aufn. ca. 1914, DHM, Berlin F 64/1108

 

 

Biographie

Großindustrieller mit erheblichem Einfluß auf die Presse des späten Kaiserreichs und der frühen Weimarer Republik. Geboren am 12.2.1870 als zweiter Sohn von Mathias Stinnes d.J. geboren, der am Aufbau der Schleppschiffahrt auf dem Rhein ein Vermögen verdiente. Nach dem Abitur 1888/89 Handelslehre in Koblenz bei Peter Klöckner, danach einjährige technische Ausbildung an der Technischen Hochschule Charlottenburg. 1890 Abbruch des Studiums, Übernahme der Leitung der familieneigenen Bergbaubetriebe. 1892 Gründung der Hugo Stinnes GmbH mit dem Kapital der Familie. Geschäftsfeld: Kohleaufbereitung und Kohlehandel. Seine nachfolgenden geschäftlichen Tätigkeiten sind weiger Unternehmensgründungen - er setzt bestehende Firmen zu Konzernen zusammen, erwirbt weltweite Beteiligungen, handelt als Kaufmann mit Unternehmen.

1898 gehört Stinnes zu den Mitbegründern der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk AG (RWE), die maßgeblich an der Elektrifizierung in Deutschland verdient, dabei allerdings erfolgreich auf Kooperationen mit Städten und Kreisen setzt, die ab 1905 an der RWE beteiligt werden. Stinnes gründet 1898 zudem mit August Thyssen (1842-1926) die AG Mülheimer Bergwerksverein. 1901 folgt unter den Gründungen die Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten AG (Deutsch-Luxemburg), die in den folgenden Jahren durch Fusionen und Aufkäufe ausbaut wird. 1902 erwerben Stinnes und Thyssen die Aktienmehrheit der RWE, deren Aufsichtsratsvorsitzender Stinnes wird. Mit dem Erwerb der Dortmunder Union AG und wird die Deutsch-Luxemburg eines der größten Montanunternehmen Deutschlands. Die Stinnes eigenen Unternehmen gehören während des Ersten Weltkriegs zu den wichtigsten Kriegslieferanten, führend sind sie an der Ausbeutung von Rohstoffen in den besetzten belgischen und französischen Gebieten beteiligt. 1917 verlegt Stinnes einen Teil seines Geschäftes nach Hamburg, um sich mit dem Reedereiunternehmen im Überseehandel zu engagieren. Mit dem Ziel, sich von nationalen Konjunkturzyklen unabhängig machen und eigene Rohstoffquellen in Übersee erschließen, erwirbt er weltweit Anteile und Aktienpakete. Ab dem August 1918 plädiert er für den Friedensschluß. Im November vertritt er das Demobilmachungsamt bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Spa, wird jedoch bereits Anfang Dezember wegen seiner früheren Haltung in der Kriegszielfrage wieder abberufen.

Komplex agiert Stinnes innen- und außenpolitisch in den Auseinandersetzungen der Jahre nach 1918 - flexibel in Allianzen und Konfrontationen. Gegenüber den Gewerkschaften setzt er auf Konsenslösungen. Am 15.11.1918 unterzeichnet er als Arbeitgebervertreter den Vertrag über die Schaffung einer Zentralarbeitsgemeinschaft für einen Interessenausgleich mit den Gewerkschaften ("Stinnes-Legien-Abkommen"). Als Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP) zieht er 1920 in den Reichstag, nimmt jedoch kein Regierungsamt an. Im Juli 1920 wird er auf eigenes Verlangen in die deutsche Delegation bei den Friedens- und Reparationsverhandlungen in Spa aufgenommen. Er erklärt die Forderungen der Entente-Mächte hinsichtlich der deutschen Kohlelieferungen für unerfüllbar. Den Verlust von Rohstoffquellen und Produktionsstätten durch die Regelungen des Versailler Vertrags kompensiert er 1919 und 1920 durch den Erwerb zahlreicher Firmen im In- und Ausland. Eine wichtige Rolle gewinnt dabei der mit seinem engsten Mitarbeiter Albert Vögler 1920 gegründete Montankonzern Rhein-Elbe-Union GmbH, ein Zusammenschluß aus der Deutsch-Luxemburg, der Gelsenkirchener Bergwerks AG (GBAG) und dem Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation. Durch den Zusammenschluß mit der Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union entsteht der umfassendste vertikale Konzern der Zeit.

Am 9.11.1922 erklärt Stinnes, daß er Versuche zur Stabilisierung der Mark um jeden Preis bekämpfen werde. Da er sein Wirtschaftsimperium weitgehend mit Krediten zusammengekauft hat, gehört er zu den Hauptprofiteuren der Inflation. 18.4.1923 unterstützt er den Aufkauf größerer Devisenkontingente an der Börse die Eskalation der Inflation in Deutschland. Er unterstützt gleichzeitig während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung die Politik des "passiven Widerstands" unter der Hand stellt er finanzielle Mittel für Sabotageakte zur Verfügung. Sein letzter Privatsekretär wird 1923 bezeichnenderweise Walther Beumelburg, der zueletzt mit der Koordination der paramilitärischen Orgesch befaßt war.

1924 umfaßt der Stinnes-Konzern 1.535 Unternehmen mit 2.888 Betriebsstätten von der Rohstofförderung bis zur Fertigproduktion. Stinnes selbst übte zuletzt als einer der vier Repräsentanten des "Vierer-Ausschuß der Schwerindustrie" der den Hugenberg-Konzern koordiniert, erheblichen Einfluß auf der Presselandschaft und die publizierte Meinung in der Weimarer Republik aus. Am 10.4.1924 stirbt Hugo Stinnes in Berlin. Sein Firmenimperium gerät wenig später in Auflösung.

 

Literatur

Brinckmeyer, Hermann, Hugo Stinnes, (Berlin, 1922) [darin auch ein Gedicht auf Stinnes aus der Roten Fahne].

Eugen Ortner, Gott Stinnes (Hannover/ Leipzig: Paul Steegemann Verlag, 1922).

Majakowski, Wladimir, "Stinnes", Gedicht (1923).

Ufermann, Paul/ Hüglin, Carl, Stinnes und seine Konzerne (Berlin: Verlag für Sozialwissenschaft, 1924).

Mann, Heinrich, Kobes, Mit zehn Lithographien von George Grosz. (Berlin: Propyläen, 1925). Fotomechanischer Nachdruck: (Frankfurt: Ullstein, 1969).

Seeberg, Dierck [i.e. Theodor Reismann-Grone], Kapitel "Der Erdgeist" in: Oberstadt. Roman (Essen: Schlingloff, 1927).

Hiesgen, Carl P., Von Verdun bis Stinnes. (Hamburg-Bergedorf: Fackelreiter, 1929).

Arnau, Frank, Das Antlitz der Macht. (Leipzig: Goldmann 1930).

Reger, Erik, Die Union der festen Hand (Berlin: Rowohlt, 1931).

Feldman, Gerald D., Hugo Stinnes. Biographie eines Industriellen 1870 - 1924 (München: C. H. Beck, 1998), ISBN 3406435823.

August Thyssen und Hugo Stinnes. Ein Briefwechsel 1898-1922 (München: C. H. Beck Verlag, 2002).


Ende