index

Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK)

Linie
Viereck Rolf Düsterberg, 2004
Literatur
Dokumente

Die Anfänge des Bundes gehen auf die Zeit des NSDAP-Parteitages von 1927 zurück. Dort wurden Planungen diskutiert, eine Nationalsozialistische Wissenschaftliche Gesellschaft zu gründen, deren Aufgabe es sein sollte, die NS-Weltanschauung jenen Menschen zu vermitteln, die durch die Massenveranstaltungen der Partei nicht erreicht werden konnten. Um diese Zeit zählte die NSDAP etwa 180.000 Mitglieder. Gleichwohl war sie eine Splitterpartei, die nur geringen Anklang bei den Wählern fand. Am 28. Mai 1928, im Monat des öffentlichen Gründungsaufrufs des Kampfbundes, errang Hitlers "Bewegung" bei den Reichstagswahlen lediglich 2,6% der Stimmen (12 Sitze); zuvor, 1924, hatte sie nach ihrer Neugründung durch Hitler und zusammen mit den Deutschvölkischen, als "Nationalsozialistische Freiheitsbewegung" kandidierend, auch nur 3% (14 Sitze) erreicht. Erst bei den Wahlen des Jahres 1930 schaffte sie mit 18,3% der Stimmen (107 Sitze) den Durchbruch; ein Erfolg, der sich dann im April 1932 mehr als verdoppelte (37,4%, 230 Mandate) (Wende, 118; Binder, 371).

Vor dem Hintergrund der nahezu vernichtenden Wahlergebnisse versuchte man im Jahre 1928 mit einer Kulturorganisation, dem viele potentielle Wähler abschreckenden Image der NSDAP als einer "putschistischen Radau- und Krawallpartei" (Gimmel, 16) entgegenzutreten. Auf diese Weise wollte die NSDAP auch jenen bildungsbürgerlichen und vom radikalen Erscheinungsbild der Hitler-Partei abgestoßenen Kreisen attraktiv zu erscheinen, die vor allem als Multiplikatoren im öffentlichen Leben eine wichtige politische Größe darstellten. Anstelle der Wissenschaftlichen Gesellschaft, die nicht realisiert wurde, trat dann mit vergleichbarer Zielrichtung der Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK) erstmals im Februar 1929 unter diesem Namen an die Öffentlichkeit. Er wurde von Alfred Rosenberg geleitet, nachdem ihn Hitler zuvor "mit dem Aufbau der neuen Kulturorganisation beauftragt" hatte (Gimmel, 13; Bollmus, 19, 30).

Schon während des Parteitages im August 1927 war es zu Auseinandersetzungen um die avisierte Organisation gekommen, und erst einige Monate später unterstützten wichtige Persönlichkeiten der Partei das Vorhaben. Schließlich, am 4. Januar 1928, unterzeichneten Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser, Reichsgeschäftsführer Philipp Bouhler, Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz, Fabrikant Wilhelm Weiß, Chefideologe Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler das "Gründungsprotokoll" der hier noch Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur bezeichneten Organisation. Der öffentliche Gründungsaufruf des KfdK vom Mai 1928 beschreibt die angebliche kulturelle Misere und nennt die 'Schuldigen' auch gleich beim Namen:

Im Kampf gegen "Verbastardisierung und Vernegerung unseres Daseins" wolle man nun willensstarke und opferbereite deutsche Männer und Frauen an sich binden, um "artbewußte" Zeitungen und Zeitschriften, bisher "unterdrückte" Gelehrte und Künstler zu fördern, Ausstellungen zu veranstalten und auf die Theaterspielpläne Einfluß zu nehmen (Rosenberg, 210-212). Der intendierte Wirkungsbereich erstreckte sich auf Publizistik, moderne Musik, Malerei, Architektur, Plastik und Literatur. Einen parteiamtlichen Status für die Vereinigung konnte deren Initiator und Leiter Alfred Rosenberg allerdings nicht erlangen. Zudem fehlte in der seit Oktober 1928 gültigen Bezeichnung KfdK der Hinweis auf die NSDAP. Das zeigt die Absicht, mit dem Kulturbund auch auf nicht-nationalsozialistische Kreise einzuwirken. Der Förderkreis des Kampfbundes rekrutierte sich zum größten Teil aus Personen, die dem extremen Flügel der völkischen Bewegung zuzurechnen waren, unter ihnen die Dichter Hanns Johst und Erwin Guido Kolbenheyer, der Architekt Paul Schultze-Naumburg (der 1928 die Schrift Kunst und Rasse publizierte), der rassistische Literaturhistoriker Adolf Bartels, der Physiker Philipp Lenard (der die Arbeiten Albert Einsteins als "jüdischen Trug" diffamierte), die nationalsozialistischen Verleger Julius F. Lehmann und Hugo Bruckmann, Hitlers Freundin Winifred Wagner und Eva Chamberlain, Witwe des Rassentheoretikers Houston Stewart Chamberlain. In drei Jahrgängen erschien von 1929 bis 1931 das Periodikum Mitteilungen des Kampfbundes für deutsche Kultur; nach Einstellung der Mitteilungen gab Hans Hinkel als Leiter der Ortsgruppe Berlin des KfdK seit Oktober 1932 das "Reichsorgan des Kampfbundes für deutsche Kultur e. V." unter dem Titel Deutsche Kultur-Wacht. Blätter des Kampfbundes für deutsche Kultur heraus (Gimmel, 28).

Die erste öffentliche Veranstaltung des KfdK fand am 23. Februar 1929 im Auditorium maximum der Münchner Universität statt: Othmar Spann, Schöpfer der Lehre vom "Organischen Staat" und ideologischer Wegbereiter des Austrofaschismus, sprach über "Die Kulturkrise der Gegenwart". Anwesend bei diesem ersten offiziellen Erscheinen des Kampfbundes in der Öffentlichkeit war auch Adolf Hitler, dem "seine zahlreich verteilten und mit Hakenkreuzen geschmückten Anhänger [...] eine lärmende Ovation bereiteten" ("Nationalsozialistische Propaganda", 2; vgl. Bollmus, 28, 39). Weitere Vorträge folgten, so etwa im Jahr darauf die Dichterlesung von Hanns Johst am 17. November 1930, der als Mitglied der Münchener Gruppe des KfdK und als Auftakt zur "Winterarbeit" des Bundes im Bechsteinsaal seinen kulturprogrammatischen völkischen Text vom "Ethos der Begrenzung" las (abgedruckt in den Mitteilungen des Kampfbundes für deutsche Kultur 2 (1930), 12, 98-104); außer Johst sprachen im Rahmen jener Winterveranstaltungen des KfdK im Jahre 1930 unter anderen auch Alfred Rosenberg und der literarische Verkünder der "Reichsidee" Josef Magnus Wehner (Mitteilungen des Kampfbundes für deutsche Kultur 2 (1930), 9/10/11, 91). Ein Höhepunkt der Aktivitäten war zweifellos die Jugend- und Kulturtagung des KfdK in Potsdam, Pfingsten, 24./25. Mai 1931, eine öffentliche Massenveranstaltung mit prominenter Besetzung. Alfred Rosenberg, der die Tagung leitete, hielt einen Vortrag über "Blut und Ehre" und äußerte sich dabei dezidiert über "Rasse und Persönlichkeit; am Montagnachmittag wandte sich "Fliegerhauptmann Goering" mit einigen kurzen Worten zum Thema "Wehrwille sichert die Kultur" an die Teilnehmer der Tagung, die unter dem Motto stand: "Es ist nicht nötig, daß ich lebe, wohl aber, daß ich meine Pflicht tue!" — ein Friedrich II. von Preußen zugeschriebenes Wort. Zuvor hatte schon Hanns Johst über "Wort — Schrift — Zucht" gesprochen (Mitteilungen des Kampfbundes für deutsche Kultur 3 (1931), 5/6, 33-51). Im Bundesarchiv Berlin, Filmarchiv, überliefert ist ein zeitgenössischer Filmbericht über diese KfdK-Veranstaltung, der den Titel trägt: Der Kampf ums Dritte Reich.

Gleichwohl blieb der Kampfbund insgesamt eine kleine Organisation, die nur zweimal eine Veranstaltung zu organisieren in der Lage war, die als wirkliche Publizitätserfolge qualifiziert wurden. Obwohl die Anzahl seiner Mitglieder im Zeitraum zwischen April 1929 und Oktober von ca. 300 auf rund 38.000 (organisiert in zunächst etwa 25, zuletzt etwa 450 Ortsgruppen oder sogenannten Stützpunkten) enorm angestiegen war, gelang es Rosenberg und seinen Mitarbeitern nicht, "das vorhandene Reservoir zu nützen" (nur in Bonn und München war eine intensive Tätigkeit zu beobachten), so daß Reinhard Bollmus ein "Versagen des Kampfbundes in der Öffentlichkeit" und entsprechende Auswirkungen auf das Verhältnis der NSDAP zu Rosenberg konstatiert. Nach der "Machtergreifung" wurden im Zuge der Gleichschaltung die wichtigsten deutschen Theaterbesucher-Organsiationen, der Verband der freien Volksbühne und der Bühnenvolksbund, in der Deutschen Bühne e. V. zusammengefaßt und als Nebenorganisation des KfdK ebenfalls Rosenberg unterstellt. Ab 1934 führte der KfdK die Bezeichnung Nationalsozialistische Kulturgemeinde, die weiterhin von Rosenberg geleitet wurde. Aber auch diese Organisation "besaß wenig Gewicht und entbehrte gleichermaßen der 'Parteiamtlichkeit'" (Bollmus, 29f, 39f, 9).

 

Literatur

Bollmus, Reinhard. Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1970.

Gimmel, Jürgen. Die politische Organisation kulturellen Ressentiments. Der "Kampfbund für deutsche Kultur" und das bildungsbürgerliche Unbehagen an der Moderne. Münster: Lit, 1999.

"Nationalsozialistische Propaganda in der Münchner Universität". Frankfurter Zeitung, Abendblatt, vom 25.2.1929, 2.

Rosenberg, Alfred. "Aufruf!" [zur Gründung des Kampfbundes für deutsche Kultur]. Der Weltkampf 5 (1928), Mai-Heft, 210-212.

Wende, Frank (Hg.). Lexikon zur Geschichte der Parteien in Europa. Stuttgart: Kröner, 1981.


Ende