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Hans Grimm an Rudolf Erckmann wg. Schließung des Verlags C. Bertelsmann
Lippoldsberg, 6.10.1944

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Viereck Transkript: Olaf Simons

Grimm wollen Gerüchte über die Hintergründe der Schließung des Verlags C. Bertelsmann zu Ohren gekommen sein (nach denen das Unternehmen aufgrund der Ermittlungen im Fall Lackas) geschlossen wurde. Er will von Erckmann wissen, ob das Unternehmen nach der anstehenden Beseitigung der Anklagepunkte wieder geöffnet werde, will, falls die Öffnung ansteht, beim Verlag bleiben, müsse Bertelsmann aber andernfalls, um sein national unverzichtbares Werk zu schützen, verlassen. Zu den Eigentümlichkeiten des Schreibens, das kaum von Bemühungen für das Unternehmen zeugt, gehört die Behauptung erst am 1.1.1944 zu Bertelsmann gewechselt zu sein.

Dokument

Literaturarchiv Marbach: Nachlaß Hans Grimm

(20)

Dikt.

6.10.1944

 

Sehr geehrter Herr Dr. Erckmann!

Obgleich ich höre, dass sie zum Heeresdienst einberufen seien, möchte ich mich in einer besonderen Sache an Sie wenden dürfen. Ich ahne nämlich nicht, wer Ihr Nachfolger im Ministerium geworden ist.

Mein Verlag ist seit dem 1.1.44 der Verlag C. Bertelsmann in Gütersloh. Ich habe schon im Jahre 1938 einen Grundvertrag mit Bertelsmann gemacht, blieb aber dann bei Langen-Müller wegen des Kriegs und um durch einen Fortgang doch keinen falschen Eindruck im Ausland zu machen. Am 1.1.44 vollzog ich den Wechsel, da ich Bertelsmann nicht länger warten lassen möchte. Es erschien dann bei Bertelsmann ein Teil meiner früheren Bücher. Wegen der Bedingungen, zu denen "Volk ohne Raum" erscheinen sollte, ergaben sich etwa im ersten Mai Schwierigkeiten, die noch nicht behoben sind, obgleich inzwischen eine Ausgabe verlegt wurde. Etwa im Juli kamen Gerüchte zu mir, der Verlag sei in eine ärgerliche Angelegenheit verwickelt. Ich fragte beim Verlage nicht an. Es stellte sich dann heraus, dass der grosse Verlag mit zu den geschlossenen gehören sollte. Es klang mir etwas merkwürdig, als ich die überbleibenden Verlage mir ansah. Mir schien, die Dinge, von denen ich gerüchteweise gehört hatte, hätten bei der Schließung, die ja sonst ganz unerklärlich gewesen wäre, eine Rolle gespielt. Da mir doch daran lag, klaren Wein eingeschenkt zu bekommen, schrieb ich an den Chef von Bertelsmann trotz den etwas gespannten Beziehungen. Ich teilte ihm die Gerüchte mit, die mir zu Ohren gekommen waren. Er antwortete mir unter dem 27.9. und gab seine Erklärung, wonach es den scheint, dass nunmehr die Sache ihrer Aufklärung entgegen geht und dass die gegen den Verlag oder gegen einzelne Beamte des Verlags erhobenen Anschuldigungen sich als hinfällig erweisen werden. Einzelheiten wurden mir nicht mitgeteilt weil dies dem Verlage untersagt worden sei.

Die Frage für mich ist jetzt, was tun. Mir liegt in dieser Zeit selbstverständlich nicht an irgendeinem Verdienste, das habe ich eben bewiesen, als ich "Volk ohne Raum" für die große OT-Ausgabe honorarfrei zur Verfügung stellte, obgleich mir das volle Honorar geboten war. Mir liegt aber sehr daran, dass zum Beispiel der "Erckertzug", der in|<2> allen Schulen und bei allem Wehrmachtunterricht gelesen wird, wieder geliefert werden kann. Ich meine, das sei sogar von allgemeiner Bedeutung, und diese Wichtigkeit dürfte nicht leiden. Ich möchte Bertelsmann in der Not nicht verlassen, zumal der Chef von Bertelsmann zwei Söhne und einen Schwiegersohn in diesem Kriege schon darangegeben hat, ich möchte auch nicht irgendwo an zweiter Stelle einen zeitlichen Unterschlupf suchen, es würde nicht nur ich, sondern das Ansehen der deutschen Literatur schlechthin geschädigt.

Meine Frage geht nun dahin, wird der Verlag Bertelsmann, wenn die Gerüchte ganz aufgeklärt sind und die Verhandlung zu Ende geführt ist, wieder aufgetan, da seine Schließung ja aus diesen Gründen entstanden sein muß? Geschieht das, dann will ich zuwarten. Inzwischen liegen Stöße von Bestellungen der Schulen für den "Erckertzug" da, und am Ende aller Ende muß ja auch "Volk ohne Raum" wieder erscheinen, denn das aktuellste Buch im politischen Sinne und auch das aktivste Buch der deutschen schönen Literatur für die Gegenwart ist es wohl doch.

Würden Sie so freundlich sein, mir eine Antwort zu geben oder eine Antwort geben zu lassen?

Mit verbindlichen Empfehlungen und

Heil Hitler!
Hans Grimm


Ende