Antwort des Propagandaministers← auf den Vorstoß Bouhlers,← der PPK← bei Verboten und Beschlagnahmen von Büchern eigenen Zugriff auf die Sicherheitsorgane zu gestatten, ihm Goebbels jedoch nur noch ein Einspruchrecht vorzubehalten. Siehe das erste Schreiben Martin Bormanns in dieser Initiative,← sowie den daran sich daran anschließenden von Lammers und Bouhler unterhaltenen Briefverkehr.
Dokument
Abschriftlich in BAB (Reichskanzlei) R 43 II/ 479a
Abschrift
Der Reichsminister für Volksaufklärung
und Propaganda
Berlin, den 4. April 1941.
Herrn
Reichsleiter B o u h l e r,
Berlin W.8
Lieber Parteigenosse Bouhler!
Reichsminister Dr. Lammers hat mir am 14.3. eine Entscheidung des Führers übermittelt, nach der Sie als Leiter der Parteiamtlichen Prüfungskommission künftighin das Recht haben, die Geheime Staatspolizei um die Beschlagnahme bereits erschienener Bücher unmittelbar zu ersuchen. Das Geheime Staatspolizeiamt (Sicherheitshauptamt) soll gehalten sein, diesem Ersuchen alsbald zu entsprechen vorbehaltlich der von mir zu treffenden endgültigen Entscheidung. Meine Zustimmung zu den von Ihnen veranlaßten Beschlagnahmen oder Verboten soll als erteilt gelten, wenn ich nicht innerhalb 3 Wochen eine gegenteilige Entscheidung treffe.
Durch diese Entscheidung des Führers tritt eine Änderung in der Handhabung von Buchverboten ein, deren Gründe und Ursachen mir nicht bekannt sind. Ich wäre deshalb für eine Mitteilung dankbar, weshalb die Parteiamtliche Prüfungskommission auf eine Neuregelung wert legt. Es kommt m.E. in der Buchverbotspraxis auf eine gute und verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Dienststellen an. Ich habe es daher sehr bedauert, dass Sie meine am 31.1.1941 überreichten Vorschläge zur Schaffung gemeinsamer Arbeitsgrundlagen nicht berücksichtigt haben und stattdessen Vortrag beim Führer hielten, ohne dass ich vorher über die Gründe unterrichtet wurde. Ich habe es im Interesse eines guten Einvernehmens immer vermieden, Fehlentscheidungen der Parteiamtlichen Prüfungskommission oder Meinungsverschiedenheiten zwischen unseren Diensstellen dem Führer vorzutragen, und darf in diesem Zusammenhang nur auf drei Fälle aus den letzten Wochen verweisen.
1.) die Schulbücherserie "the present war".
Sie schreiben mir darüber am 31. März, dass Sie die Vorwürfe gegen die Parteiamtliche Prüfungskommission als unbegründet bezeichnen müssten und auch dem Herrn Reichserziehungsminister keinen schwerer wiegenden Vorwürfe aus dem Vorhandensein der Broschüre zu machen seien.
Ich bin durchaus gegenteiliger Auffassung und teile die Ansicht der Gauleitung Hannover des N.S.-Lehrerbundes, die in dem wortgetreuen Nachdruck englischer Zeitungsstimmen eine Gefahr erblickt und darauf aufmerksam macht, dass es unmöglich ist, Schülern englische Heeresberichte vorzulegen, wie es etwa auf Seite 15 des Heftes geschieht. Die Gauleitung teilt mit Recht mit, dass ein solches Heft geradezu dazu verleiten könnte, die Wahrheit der deutschen Heeresberichte in Zweifel zu ziehen.
Die Parteiamtliche Prüfungskommission hat aber noch am 19.2.1941 der Zensurstelle der Luftwaffe geschrieben, dass zwar ein Gutachten im eigentlichen Sinne von der Parteiamtlichen Prüfungskommission nicht erstellt worden sei, dass aber von der Zuständigkeit der Parteiamtlichen Prüfungskommission her Bedenken nicht erhoben würden. Auf Seite 2 des Schreibens heisst es dann noch einmal, dass politische und weltanschauliche Bedenken nicht bestehen.
Im Gegensatz hierzu bin ich der Auffassung, dass diese aus englischen Zeitungen abgedruckten Heeresberichte und Kriegsschilderungen eine unter amtlichem deutschen Schutz betriebene englische Greuelpropaganda darstellen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass zu 54 Seiten englichen Texts auch noch 10 Seiten Anmerkungen hinzugefügt sind. Denn diese Anmerkungen stellen nicht etwa einen politischen Kommentar dar, sondern sind zu 90% die einfache Übersetzung englischer Ausdrücke ins deutsche, d.h. ein Vokabularium, wie es jedem Schulbuch beigegeben wird.
2.) Die Genehmigung der Parteiamtlichen Prüfungskommission für den beigelegten evangelischen Abreisskalender "Brot für den Tag" ist mir ebenfalls unverständlich. Der Kalender ist so ausgesprochen deutschfeindlich, dass der Verfasser in eine Konzentrationslager gesperrt werden sollte. Inzwischen ist die Angelegenheit, wie die Gestapo mir mitteilte, durch den Führer selbst entschieden worden, der die Schliessung und Enteignung des Verlages verfügte.
Sowohl im Jahre 1940 wie auch im Jahre 1941 hatte die Parteiamtliche Prüfungskommission den Unbedenklichkeitsvermerk gegeben.
3.) Auch der beigelegte Wandspruch "Heil Hitler" fällt in diese Kategorie. Zwar handelt es sich bei dem Verfasser um einen wohlmeinenden Volksgenossen, über die Verse aber, von denen der Verlag selbst schreibt, dass auf vollendete Versform kein Wert gelegt wurde, möchte ich mir jedes Urteil sparen; es ist hier nur das Gesetz gegen nationalen Kitsch zuständig.
Ich darf mich auf die Anführung dieser drei Punkte von Fehlentscheidungen im Monat März beschränken und möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass keiner dieser Fälle von mir zum Gegenstand eines Vortrages beim Führer gemacht wurde. Vielmehr habe ich immer Wert darauf gelegt, Differenzen in der Auffassung oder Fehler von Haus zu Haus zu klären. Umso befremdlicher wirkte auf mich die Mitteilung von Reichsminister Dr. Lammers vom 14.3., über deren Gründe ich vollständig in Unkenntnis bin. Ich darf Sie vielleicht um Mitteilung der Ursachen Ihrer Schritte bitten.
Heil Hitler
Ihr gez. Dr. Goebbels