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Flex, Walter
6.7.1887 - 16.10.1917

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Viereck Olaf Simons, 2004

 

 

Biographie
Veröffentlichungen
Nachlaß
Literatur

 

 

Biographie

Geboren am 6.7.1887 als zweiter der vier Söhne des Gymnasialoberlehrers und späteren Professors Dr. Rudolf Flex und der Margarete Flex, geborene Pollack. Besuch des Karl-Friedrich Gymnasium in Eisenach bis zum Abitur Ostern 1906 - erste schriftstellerische Arbeiten während der Schulzeit - ein Drama "Die Bauernführer" wird erstmals 1904 zugunsten des Eisenacher Gymnasiasten-Gesangvereins und ein weiteres Mal 1921 bei einer Sammlung für ein Denkmal der gefallenen Schüler des Gymnasiums aufgeführt - zu denen zu diesem Zeitpunkt Flex selbst gehört. Abiturientenrede mit Huldigungen an Bismarck und Emphasen der Kameradschaft zum Thema "pro patria morire" [teilweise wiedergegeben in Johannes Banzhaf Walter Flex (1934), S.4-7.]

1906 Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Erlangen und Mitgliedschaft in der Burschenschaft Bubenruthia, einer Verbindung, die Christentum, Deutschtum und burschenschaftliche Traditionen mit nationalistischen und rassisch-sozialdarwinistischen Gedanken verbindet. 1908 Fortsetzung des Studiums in Straßburg mit dem Ziel des Staatsexamens und der Promotion. Erste Veröffentlichungen von Erzählungen, Novellen und Gedichten - gebunden: die Gedichtsammlung Im Wechsel und das Drama Demetrius, das im Frühjahr 1909 am Eisenacher Stadttheater uraufgeführt wird. Abbruch der Promotion, die sich bei dem gewählten Thema - so der Straßburger Betreuer - nur in Berlin fortsetzen läßt. Neues Thema Die Entwicklung des tragischen Problems in den deutschen Demetriusdramen von Schiller bis in die Gegenwart und neue Unterbringung der Promotionsarbeit an der Universität Erlangen. Finanzierung des Studiums durch Anstellung als Hauslehrer des Bismarck-Enkels Graf Nikolaus von Bismarck im Bismarckschen Hause in Varzin. Sommer 1911 Reisen an die Ostsee, nach Wismar und Danzig, Oktober 1911 Erlangung des Doktorgrads. Die Stelle im Bismarckschen Hause läuft im Frühjahr 1912 aus, Flex bleibt jedoch mit der Familie in Kontakt - Herbst 1912 Reise mit den Bismarck-Enkeln ins Engadin. 1913 schriftstellerische Arbeit an den Bismarck-Novellen und dem Drama Klaus von Bismarck, das im Herbst 1913 am Hoftheater Coburg aufgeführt wird. Seit dem Frühjahr 1913 Hauslehrertätigkeit in Anstellung des Freiherrn von Leesen in Retschke - inniges Verhältnis mit dem ihm anvertrauten Sohn Jochen. Eine Sehnensschwäche in der rechten Hand befreit Flex vom Militärdienst. Klaus von Bismarck wird in eine Novelle umgearbeitet sowie als Drama im Frühjahr 1914 ein zweites Mal - diesmal in Oldenburg - aufgeführt. Die Bismark Novellen erscheinen 1913 Zyklus Zwölf Bismarcks.

Mit dem Kriegsbeginn meldet Flex sich im Sommer 1914 in Rawitsch Schlesien, dem Heimatort seiner Mutter - Einreihung in das 3. Niederschlesische Infanterieregiment Nr. 50. Vom Tod seines jüngsten Bruders in der Marneschlacht erfährt er noch vor seinem ersten Kampfeinsatz - an Ort und Stelle bleibt ihm noch die Zeit diesen Tod als zukünftiger Kriegsfreiwiliger zu besingen und die Gedichte zu veröffentlichen. Das erste Einsatzziel seines Regiments ist im Oktober 1914 Frankreich - die ersten Einsätze bringen ihn jedoch in eine verhältnismäßig ruhige Stellung, die ihm weitere schriftstellerische Arbeiten, vor allem verklärende Kriegslyrik erlaubt. Als kleine truppeninterne Auftragsarbeit für die Wehnachtsfeier 1914 verfaßt Flex das Weihnachtsmärchen des 50. Regiments, das später noch Karriere als Propagandastück macht.

Mitte März 1915 wird Flex - mittlerweile Gefreiter und für seine Kriegsdichtungen ausgezeichnet mit dem Roten Adlerorden mit der Krone - mit 20 anderen Kriegsfreiwilligen zur Offiziersausbildung ins Warthelager nach Posen befohlen. Unter den mit ihm Beorderten trifft Flex auf den Studenten Ernst Wurche, mit dem ihn bald eine idealisierte Freundschaft verbindet, die in ihrem literarischen Niederschlag Der Wanderer zwischen beiden Welten 1917 noch homoerotische Motive aufweisen wird.

Wurche erliegt im August 1915 einer schweren Verwundung - ein Ereignis, das Flex in eine tiefe Krise stürzt. Zum 1.7.1916 wird er nach Berlin gerufen, um dort im Auftrag des Generalstabs an den Veröffentlichungen von Der Krieg in Einzeldarstellungen zu arbeiten - Flex wirkt am Beitrag zur Frühjahrsoffensive 1917 mit, verläßt Berlin jedoch desillusioniert mit der Führung der 9. Kompanie betraut. Am 16.10.1917 fällt er in der Nähe des Dorfes Peude auf der Insel Ösel - sein Tod selbst wird im Nachsatz zur posthumen Veröffentlichung des Wanderers zwischen beiden Welten zum Bild des 19. Jahrhunderts verklärt: Auf einem herrenlosen Kosakenpferd soll er mit gezogenem Degen seiner Einheit vorweggeritten sein, bis eine feindlichen Kugel ihn traf.

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Idealisierter Idealisierer - Nachwirkungen

Walter Flex' Karriere ist zwiespältig angelegt zwischen der Position des einsamen Dichters, der untertänig und unerkannt seinem Vaterland dient und der Vereinnahmung durch den Staat, der hier ein brauchbares Werkzeug entdeckt. Seine Veröffentlichungen weisen vielfältig verwertbare Idealisierungen auf. Nationalismus wird hier in die Antike zurückverlegt, mit der deutschen Klassik verbunden und bis in das Bismarckreich verlängert. Die Bereitschaft, "für das Vaterland zu sterben", wird auf das Neue Testament gegründet. Homosexualität wird zu Kameradschaft und Freundschaft gesteigert. Früh klingen bei Flex schließlich Gedanken eines neuen Führerkultes an, wie sie sich im Nationalsozialismus ausbauen ließen. Flex bietet in all diesen Positionen Anknüpfungspunkte für das protestantische deutschnationale Bürgertum, eine rechte philosophisch gebildete Avantgarde, die sich in der Wandervogelbewegung organisiert, die Burschenschaftsbewegung und nicht zuletzt den Nationalsozialismus.

Zum Wanderer gehören Passagen wie die folgende, dem letzten Lebensgenuß mit Ernst Wurche gewidmete:

Der Waffenlose Feiertag des sechsten Juli wurde ganz ein Geschenk seines frischen Herzens an das meine. Als die Sonne am höchsten stand, gingen wir aus dem Schatten der roten Föhren zu den Nettawiesen herunter. Die Sonne badete im tiefsten Blau des vom Nachtgewitter erfrischten Himmels und überspiegelte mit feuchtem Glanze die hellschimmernden Flußwindungen und den fern in stählernem Blau aufblendenden Schild des Sajano-Sees. [...] Wir warfen die Kleider am Netta-Ufer ab und badeten. Mit dem Strome trieben wir in langen Stößen hinab, schwammen gegen den Strom zurück, daß sich das Wasser in frischem Anprall über die Schultern warf, und stürzten uns immer aufs neue von der sonnenheißen Holzbrücke, die gegen die Sohlen brannte, kopfüber in weitem Sprung in den Fluß. Auf dem Rücken trieben wir geruhig stromab und liefen auf dem lauen Sande am Schilfufer zurück. Im buntwuchernden Wiesenkraut ließen wir uns von Sonne und Wind trocknen, und die leisen, zitternden Sonnenwellen rannen gleichmäßig durch Luft und Sand und Menschenleib und durchgluteten alles Lebendige mit trunkener Kraft und erschlaffender Freude. [Wanderer, S. 42-43]

Ein vitalistisches und gleichzeitig das einzelne Leben verachtendes Sentiment fließt in die politischen Erwägungen, mit denen Flex ohne weiteres den Untergang des eigenen Volkes als Teil einer natürlichen Blüte einkalkuliert - noch einmal aus dem Wanderer:

Wie es dem Manne geziemt, in kräftiger Lebensmitte zuweilen an den Tod zu denken, so mag er auch in beschaulicher Stunde das sichere Ende seines Vaterlandes ins Auge fassen, damit er die Gegenwart desselben um so inbrünstiger liebe; denn alles ist vergänglich und dem Wechsel unterworfen auf dieser Erde. Oder sind nicht viel größere Nationen untergegangen, als wir sind. Oder wollt Ihr einst ein Dasein dahinschleppen wie der ewige Jude, der nicht sterben kann, dienstbar allen neu aufgeschlossenen Völkern, er der die Ägypter, die Griechen und Römer begraben hat? Nein! ein Volk welches weiß, daß es einst nicht mehr sein wird, nützt seine Tage um so lebendiger, lebt um so länger und hinterläßt ein rühmliches Gedächtnis; denn es wird sich keine Ruhe gönnen, bis es die Fähigkeiten, die in ihm liegen, ans Licht und zur Geltung gebracht hat, gleich einem rastlosen Manne, der sein Haus bestellt, ehe denn er dahinscheidet. Dies ist nach meiner Meinung die Hauptsache. Ist die Aufgabe eines Volkes gelöst, so kommt es auf einige Tage längerer oder kürzerer Dauer nicht mehr an [...]. Nur den Strohtod [...] den möchte man seinem Volke gern erspart sehen. Aber fast alle Völker sind den Strohtod gestorben. Der Gedanke an den Heldentod eines Volkes ist nicht schrecklicher als der Schwerttod eines Menschen. Nur das Sterben ist häßlich bei Menschen und Völkern. Aber wenn ein Mann den tödlichen Schuß, der ihm das Eingeweide zerreißt, empfangen hat, dann soll keiner mehr nach ihm hinsehen. Denn was dann kommt, ist häßlich und gehört nicht mehr zu ihm. Das Große und Schöne, das heldische Leben ist vorüber. So muß es auch sein, wenn ein Volk seinen Todesstreich empfangen hat, — was danach kommt, darf niemand mehr seinem Leben zurechnen, es ist kein Teil davon ... [Wanderer, S. 34-35]

Einen nach Philosophie und Erkenntnistheorie schmeckenden Unterbau verlieh Flex dergleichen Auslassungen mit Passagen, in denen der Krieg - kaum wahrgenommen - schon wieder dem Blick auf Höheres weicht:

Aufgabe des Menschenlebens ist, hinter die Erscheinung des Menschlichen zu kommen, dann haben wir durch den Krieg unser Teil am Leben mehr als andere dahin. Wenige sehen wie wir hier draußen so viel Hüllen sinken, wenige haben so viel Niederträchtigkeit, Feigheit, Schwachheit, Selbstsucht und Eitelkeit, wenige so viel Würde und schweigsamen Seelenadel gesehen wie wir. Wir können vom Leben nicht mehr fordern, als daß es sich uns entschleiert; darüber hinaus ist keine menschliche Forderung. Uns hat das Leben mehr als vielen gegeben, warten wir ruhig ab, ob es auch mehr von uns zu fordern hat. [Wanderer, S. 33-34]

Seltsam verbindet sich dabei am Ende das Kriegserleben mit der romantischen Entdeckung des Volkes und dem Führerglauben in seiner noch jungen Formulierung:

Nur wer beherzt und bescheiden die ganze Armseligkeit der Vielen, ihre Freuden und Gefahren mitträgt, Hunger und Durst, Frost und Schlaflosigkeit, Schmutz und Ungeziefer, Gefahr und Krankheit leidet, nur dem erschließt das Volk seine heimlichen Kammern, seine Rumpelkammern und seine Schatzkammern. Wer mit hellen und gütigen Augen durch diese Kammern hindurchgegangen ist, der ist wohl berufen, unter die Führer des Volkes zu treten. [Wanderer, S. 7]

 

Veröffentlichungen

Die russische Frühjahrsoffensive 1916, unter Benutzung amtlicher Quellen bearb. von Walter Flex [= Der große Krieg in Einzeldarstellungen, 31] (Oldenburg i. Gr.: Stalling, 1919), 102 S.

Klaus von Bismarck: eine Kanzlertragödie [den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt] (Berlin: Janke, 1913), 136 S. ;
— 53.-58. Tsd. (München: C. H. Beck), 168 S.

Das Volk in Eisen: ein Ehrendenkmal für meinen für Kaiser und Reich gefallenen lieben Bruder [...] Otto Flex. Gesänge eines Kriegs-Freiwilligen (1914).
— 3., verm. Aufl. (Lissa i.P.: Eulitz, 1914) 36 S.

Der Kanzler Klaus von Bismarck. Eine Erzählung (Stuttgart: Verl. der Evang. Gesellschaft, 1915), 196 S.

Vom großen Abendmahl. Verse u. Gedanken aus dem Feld von Walter Flex (München, C. F. Beck, 1915).
— 12. Aufl. (München: Beck, 1918).

Im Felde zwischen Nacht und Tag. Gedichte von Walter Flex
— 8. Aufl. 12.-13. Tsd. (München: C. G. Beck, 1918).

Der Wanderer zwischen beiden Welten. Ein Kriegserlebnis von Walter Flex (München: Oskar Beck, 1917).
— 154.-159. Tsd. (München: Oskar Beck, 1919).

Sonne und Schild: Kriegsgesänge und Gedichte, 2. Aufl. (Braunschweig: Westermann, 1918), 124 S.

Wallensteins Antlitz. Geschichte und Geschichten vom 30jährigen Krieg von Walter Flex, 1.-5.Tsd. (München, L. H. Beck, 1918).

Wolf Eschenlohr, mit e. Einl. v. Konrad Flex. Nebst d. Bildn. d. Verf. (München: Beck, 1919. - XXVII, 92 S.

Der Schwarmgeist. Novelle [= Janke-Bücher, 47] (Berlin: Janke, [1920]), 186 S.

Lothar: Ein deutsches Königsdrama, 2. Aufl. (München: Beck, 1920), X, 100 S.

Die Bauernführer: Trauerspiel aus dem Bauernkriege in 4 Aufzügen, dramatische Skizze (Berlin: Block, 1923), 39 S.

Das Weihnachtsmärchen des fünfzigsten Regiments, Gedächtnisausgabe mit Handzeichnungen von Benno Eggert (München: Beck, 1925), 36 S.

 

Nachlaß

Stadtarchiv Eisenach: Sammlung Walter Flex

Deutsches Literaturarchiv Marbach: Teilnachlaß. 5 Kästen
Lyrik: Sammlungen Burenlieder u.a.; Einzelgedichte.
Dramatisches: Tragödie Spartacus u.a.
Prosa: Novelle Werner, Lebensbeschreibung Otto von Bismarcks u.a.
Autobiographisches: Tage- und Notizbücher.
Briefe an Konrad Flex, Margarete und Rudolf Flex, Martin Flex, Hedwig von Leesen (Abschriften) u.a.
Briefe von Hedwig von Leesen, Paul Lindau, Helmut Wocke u.a.
Zugehörige Materialien: Untersuchungen über Friedrich Nietzsche von Konrad Flex; Tagebuchaufzeichnungen von Margarete Flex aus den Jahren 1884–1914 (Kopien).

 

Literatur

Thamhayn, Willy: Walter Flex: Eine Skizze (Solingen: Schmitz & Olbertz, 1918). — (Solingen, 1920). — (1927).

Beinert, Rudolf, Walter Flex: Gedächtnisfeier zu Arensburg auf Oesel am 16. Okt. 1918 (Berlin u.a.: Würtz, 1919), 22 S.

Otto Brües, Walter Flex und seine Dichtung in unserer Zeit (Berlin: Staatspolitischer Verlag, 1920), 64 S.

Stang, Walter, Das Weltbild in Walter Flex' Drama Lothar: eine wissenschaftliche Untersuchung (1926), 113 S.

Briefe von Walter Flex herausgegeben von Konrad Flex und Walther Eggert-Windegg (München: C. H. Beck, 1927), 333 S. Ill.

Klein, Johannes, Walter Flex, ein Deuter des Weltkrieges: ein Beitrag zur literaturgeschichtlichen Wertung deutscher Kriegsdichtung (Marburg a. L., 1929).

Banzhaf, Johannes, Walter Flex. Ein Bild seines Lebens [= Führer und Freunde, Bd. 14] (Berlin: Acker-Verlag, 1934).

Flex, Konrad, Walter Flex: ein Lebensbild [= Aus klaren Quellen, 30] (Stuttgart: Quell-Verlag, 1937), 148 S., Ill.

Neuss, Raimund, Anmerkungen zu Walter Flex. die "Ideen von 1914" in der deutschen Literatur: ein Fallbeispiel (Schernfeld: SH-Verlag, 1992), 160 S., Ill.

Pallas, Maris, Walter Flex und seine Zeit [Bakkalaureusarbeit] (Tallinn: Pädagogische Universität, Lehrstuhl für Germanistik, 1998), 76 Bl., Ill.

Die Nachlässe und Sammlungen zum Dichter Walter Flex und seiner Familie bearbeitet von Bernd Jeschonnek (Eisenach: Stadt, 1999), 48 S., Ill.

Spiekermann, Bernd, "Willfährigkeit gegen das Göttliche und Wehrhaftigkeit gegen das Menschliche": Religion und Nation im Werk von Walter Flex [Diss., Duisburg, Univ., 2000] (Münster: Schüling, 2000), 298 S.

Wagener, Hans, "Wandervogel und Flammenengel: Walter Flex: Der Wanderer zwischen beiden Welten; ein Kriegserlebnis (1916)", in: Von Richthofen bis Remarque ed. Thomas F. Schneider [Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, 5] (Amsterdam [u.a.]: 2003), S. 17-30.


Ende