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Peter Haensel für das Feld-Kriegsgericht der Wehrmacht, Berlin: Bericht über Nachforschungen bei der Rohstoffstelle der Luftwaffe, 3.4.1944

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Dokument: BA-ZNS RH 69 1a, S.115-119. Bericht über Nachforschungen bei der Rostoffstelle der Luftwaffe. Untersuchung von Schecks der Firmen Bertelsmann, Callway, DAV, Spiegel Verlag Paul Lippa, Stufen Verlag, Thomas Druckerei, Wodni und Lindecke.

Auf Anordnung des Gerichts habe ich heute in der Rohstoffstelle der Luftwaffe (L Ro IV C 1) Einblick in dort abgelagerten Bedarfsanforderungen der WPS genommen. die für Zwecke der Feldbüchereien anerkannt worden sind. Bei der Fülle des Materials habe ich mich auf Stichproben beschränkt und lediglich die Zuteilungen an einige im bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung in Verbindung mit den Angeklagten immer wieder ganannten Verlage ab 1.7.42 überprüft. Die Überprüfung ist nach folgenden Gesichtpunkten vorgenommen: Sachbearbeiter der Luftwaffenrohstoffstelle haben Befehl, nur die Schecks anzuerkennen, deren Bedarfsanforderungen von den auftraggebenden Dienststelle auf der Rückseite sachlich für richtig erklärt worden ist. Weiter gilt für die Sachbearbeiter der Führerbefehl vom 29.8., wonach ein Scheck nur anerkannt werden kann, wenn bei Ausstattung von Buch, Boldwerk oder Broschüre der betreffende Scheck den Unbedenklichkeitsverwerk des OKW trägt. auf diese beiden Vermerke wurden die Schecks folgender Verlage durchgesehen:

 

C. Bertelsmann, Georg Callway, Deutscher Archiv Verlag, Spiegel Verlag Paul Lippa, Stufen Verlag, Thomas Druckerei, Wodni & Lindecke

 

Nach kurzer Übersicht, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann, sind von mir 57 Bedarfsanforderungen Anlage 1 beanstandet und zu den Akten genommen worden.

Die Beanstandungen sind im Einzelnen:

  1. Eine Vielzahl von Schecks der Firma Bertelsmann tragen keinen Bestätigungsvermerk auf der auftraggebenden Dienststelle. Sie sind ferner unter Umgehung des OKW anerkannt worden. 16 Schecks über 91.000 kg tragen befehlswidrig keinen Unbedenklichkeitsvermerk des OKW, zwei von diesen lediglich trägt die Bestätigung von Frau Braun, alle anderen Schecks nicht, #### der Schecks mit dem Bestätigungsvermerk ist unter Fortlassen einer Prüfnummer (!) zugewiesen worden. In jedem der 16 Fälle liegt von irgend einer Seite Ungehorsam gegen den Befehl vom 29.8. Ziff.1 vor, in 14 Fällen ein Verstoss gegen die dienstanweisung von L Ro. Es besteht somit begründeter Verdacht, dass diese Schecks unter Umgehung einer auftraggebenden Dienststelle direkt vom Verlag bei L Ro erlangt sind. Dass dies der Brauch war, erheltt das Schreiben der Fa. Bertelsmann vom 8.8.42, Anlage 2.Das gleiche gilt für 10 weitere Schecks der Fa. Bertelsmann, die sämtlich keinen Bestätigungsvermerk von Frau Braun bzw. Luftgaukommando VI tragen, Anlage 3 Die Schecks liegen zeitlich zeitlich vor Einführung des Unbedenklichkeitsvermerks. Besonders aufällig sind die Bedarfsanforderungen Nr. 200 529 und 200 530, die beide weder eine auftraggebende Dienststelle, noch einen Aufteag oder Bestätigungsvermerk tragen. die Anerkennung ist eine absolute Eigenmächtigkeit des Sachbearbeiters.

    Weitere 12 Schecks der Fa. Bertelsmann sind herausgezogen, um zu beweisen, dass die dem Gericht von Frau Braun überreichte aufstellung vom 22.3.44 zumindest unvollständig istvAnlage 4. In dieser Aufstellung sind lediglich die Schecks 200542 und 200 543 aufgeführt, die weitere 10 Schecks sind nicht enthalten, obwohl sie Frau B. im Gegensatz zu den obigen mit einem Bestätigungsstempel abgezeichnet hat.

    Folgerung:

    Für das Verfahren gegen Lackas ist dies nur erheblich, wenn ein Zusammenwirken zwischen Bertelsmann und L. angenommen werden muss. Bei den eigenen guten Beziehungen von Bertelsmann zum Propagandaministeriu ist dies im Jahre 1942 nicht wahrscheinlich, die späteren Verbindungen (Günzdruck) sind dagegen sehr eng. Sonst zeigt der Fall, mit welcher Vorsicht, das von ZA/Wehrbetr. vorgelegte Materail (aufstellung Braun) gewertet werden muss und wie sorglos L Ro gewirtschaftet hat.

    Beweiserhebung: Domagalski, Frau Braun, Bertelsmann

    Beweisthemen: Wie konnten Schecks mit solchen Formfehlern überhaupt anerkannt werden? — Sind sie zur Kenntnis von Frau Braun gelangt? Wer hat sie dem OKW hinterzogen? — Wie hat Bertelsmann seine WPS vorgelegt? Über welche Buchhandlung hat Bertelsmann ausgeliefert? (Verbindung zu L.) — warum ist die aufstwellung von Frau B. derart unvollständig, dass sie praktisch wertlos erscheint? -

  2. Vom Spiegel Verlag, Paul Lippa sind 7 Bedarfsanforderungen festgestellt worden. Sie sind sämtlich ohne Bestätigungsvermerk von ZA/Wehrbetr., haben dem OKW. nicht vorgelegen und sind auch in der Aufstellung von Frau B. nicht enthalten, sodass der Schluss, dass die Zuweisungen erschlichen sind, auf der Hand liegt. Bemerkenswert ist die Nr. 207 897. Die unterschrift hat Lackas selber geleistet. Der Scheck ist dann an der Archiv-Verlag (!!) adressiert. Der Scheck hat dem OKW. seinerzeit vorgelegen, konnte aber wegen politischer Bedenken gegen die Veröffentlichung nicht genehmigt werden. Bemerkenswert ist, dass der Scheck für den Umschlag desselben Werkes seinerzeit durch eine Urkundenfälschung erlangt ist, in dem der vom OKW. nicht genehmigte Verwendungszweck einfach ausradiert und als Verpackungsmaterial getarnt worden ist. Die Unlagen hierüber (Schreiben Lippa an die RSK.) befinden sich in der Spezialakte Lippa. Nach aussagen von L. soll die Kammer völlig unerklärlicher Weise ihm über diese Angelegenheit Schweigeverbot auferlegt haben. Es spielt da wohl Holzapfel hinein.(?) — Über die weiteren Beziehungen zwischen Lippa und Lackas geben die Schreiben aus dem Hefter Archiv Verlag von ZA/Wehrbetr. auskunftAnlage 6..

    Beweiserhebung: Lippa, Lamprecht, Frau Braun, Holzapfel.

    Beweisthemen: Wie sind die Schecks vorgelegt worden? — wusste Lippa von der Ablehnung des OKW? — Wohin hat Frau Braun den abgelehnten Scheck gegeben? — Warum sollte lippa über den Scheck, dessen Fälschung er erkannt hatte, nicht reden? — Welche weiteren Schecks hat Lippa erhalten? — provisionen des Lackas? Unterschrift Lackas und Adressat Archiv Verlag?

  3. Vom Verlag Callway, München sind 2 Bedarfsanforderungen zufällig mir beim Durchblättern aufgefallen. Sie tragen keinen Bestätigungsvermerk, sind auch Frau Braun nach der Aufstellung nicht bekannt. Die Nr. 201 654 hat Lackas wieder selber unterschrieben, das Erschleichen der Zuweisung ist somit wahrscheinlich.

    Gerade aus der Tatsache, dass ein derart angesehender Verlag in Erscheinung tritt, lässt schliessen, dass es sich um keinen Einzelfall aus dem sehr umfangreichen Material handeln dürfte.

    Bweweiserhebung: Domagalski, Braun, Firma C.

    Beweisthemen: Wie konnte die Unterschrift Lackas des Schecks anerkannt werden?

  4. Vom Stufen Verlag sind 3 Bedarfsanforderungen festgestellt worden. Nicht, wie Riewel ausgesagt hat, sind es nur ein Scheck über 2632 kg, sondern 3 mit 14 2264 kg.! Alle Schecks tragen weder den Bestätigungsvermerk noch den Unbedenklichkeitsvermerk! Sie sind folgerichtig in der Aufstellung Braun nicht enthalten. Die Zuweisung , an der wohl Riewel interessiert war, ist erschlichen.

    Beweiserhebung: Domagalski, Braun

    Beweisthemen: wie oben. — Provisionen?

  5. Bei den zweiten für Riewel interessanten Verlag Wodni & Lindecke sind 5 Bedarfsanfoderungen festgesrellt worden. Sie tragen sämtlich keinen Bestätigungsvermerk von Frau Braun. Sie sind in der aufstellung Braun folgerichtig nicht enthalten.

    Beweiserhebung: Beweisthemen wie oben.

  6. Bei Thomas-Druckerei sind 2 Schecks mit denselben Beanstandungen wie zu 5b festgestellt. Zusätzlich fehlt, da am 2.2.43 anerkannt, der Unbedenklichkeitsvermerk OKW.!!. auch dies ist eine Provisionsfirma Lackas-Riewel.

    Beweiserhebung: wie oben

    Beweisthemen: Kann Frau Braun feststellen, wer nach der Schrift den Kopf ausgefüllt hat?

  7. Vom Deutschen ArchivVerlag sind zwei Bedarfsanforderungen zu beanstanden. Sie sind von Frau Braun abgezeichnet, aber trotzdem nicht dem OKW. vorgelegt und ohne Unbedenklichkeitsvermerk von L Ro anerkannt worden Anlage 11. Die beigelegte dritte Bedarfsanforderung zeigt, dass andererseits bereits am 17.12.42 Schecks ordnungsgemäss vorgelegen haben.

    Dieser Vorgang mag für die Arbeitsweise der Rohstoffstelle aufschlussreich sein, es ist nicht anzunehmen, dass Lackas hier mit beteiligt ist.

  8. Dass bei anderen Verlagen gleichfalls unter Umgehung der Kontrolle durch die auftraggebende Dienststelle papier zugewiesen ist, geht aus der Aufstellung Dr. Neumann vom 29.3.44 hervor. Unter dem Abschnitt "Lieferungen auf Grund von WPS" sind die Verlage: Stollberg Merseburg, -Rütten u. Loening, Potsdam- Wilhelm Frick Verlag,Wien -Mathias Grünewald Verlag aufgeführt, die in der Aufstellung von Frau Braun mit keiner Zuteilung genannt sind. — Die Fälle 1 — 7 sind daher nur als reine Stichproben zu werten.

  9. Aus den mir vom Oberkrgerr. Noak zur Verfügung gestellten Korrespondenzmappe "Deutscher Archiv Verlag" sind folgende Schriftwechsel in der Anlage überreicht:

    Anlage 12: Schriftwechsel über den Eintritt des Lackas in die Archiv Buchhandlung und zwei probeschreiben, aus denen die Verkehrsweise Zwischen l. und der dienststelle ZA/Wehrbetr. hervorgeht.

    Anlage 13: Schriftwechsel über das Papierhaus Wölbling, mit dem L. die Papierschiebungen an den Günzdruck durchführte (Vertreter Wrase)

    Anlage 14: Die Unzulässigkeit aller Bescheinigungen auf dem Papiersektor geht aus dem Vorgang des reichsministers R.u.k. hervor.

    Anlage 15: Das Schreiben des L. vom 11.6.43 widerlegt seine Einlassung, er habe zur Freimachung der 33.000 kg bei der Verteilungsstelle III nicht mitgewirkt. — wahrscheinlich hat er von Pinski eine ähnliche Bescheinigung angestrebt.

Haensel


Ende